Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Manchmal sage ich einfach nichts. Das tut mir gut. Wenn ich von jemandem dumm angemacht werde. Wie neulich an einer Straße. Weil einem anderen nicht gepasst hat, wie ich einparke. Ich habe geschwind überlegt, ob ich was falsch mache. Aber der andere war gar nicht beteiligt. Und ich war schon kurz davor zurück zu meckern, mich zu wehren. Hab mich dann aber daran erinnert, dass ich schon gute Erfahrungen damit gemacht habe: In solchen Situationen einfach nichts zu sagen. Ruhig zu bleiben. Fast so, also würde mich die Sache nichts angehen. Mich nicht hineinziehen zu lassen in die Aufregung, den Ärger des anderen. Stattdessen: Bei mir zu bleiben. Dem anderen möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten.

Es hilft mir schon zu wissen, dass ich diese Möglichkeit immer habe. Es kann mich keiner zwingen, in eine Auseinandersetzung hinein zu gehen. Ich muss mich nicht streiten oder mich mit Worten verteidigen. Im Gegenteil: Je öfter ich das schon praktiziert habe, desto mehr habe ich gemerkt, dass es mich stark macht, nicht zu reagieren, nichts zu sagen. Dem üblichen Schema von Reiz und Reaktion nicht zu folgen, wo ein Wort dem anderen folgt, und am Ende die Streitenden mit hochrotem Kopf und hämmerndem Herzen dastehen, ohne dass eine Lösung, ein Ausweg in Sicht ist.

Klar: Ich muss mir einigermaßen sicher sein, dass ich meinem Gegenüber keinen echten Anlass gegeben habe. Ich muss ein Gespür dafür entwickeln, wann es arrogant wirken könnte, nichts zu sagen und mich so aus der Affäre zu ziehen. Aber eben auch das Gegenteil: Wann es nämlich von Mensch zu Mensch besser ist, den Mund zu halten. Es kommt ja leider nicht so selten vor, dass jemand Streit sucht und mich braucht, um seine schlechte Laune, sein Potential an Aggression, das sich angesammelt hat, los zu werden. Wenn ich merke, dass einer mich in diesem Sinne missbrauchen will, dann denke ich mir: „Meine Lippen sind verschlossen!“

Was das mit dem christlichen Glauben zu tun hat? Jesus hat’s so gemacht, als sie die Ehebrecherin zu ihm gebracht haben. In der Erwartung, er werde jetzt seinen Hass über sie ausgießen. Jesus hat stattdessen mit seinem Finger auf dem Boden herum gekritzelt. Irgendetwas, Belangloses, Unverständliches. Und den Mund gehalten. Was unmenschlich war an dieser Situation, hat sich so von alleine in Luft aufgelöst. Und genau darum geht es im Glauben der Christen: Menschlich zu bleiben, oder es zu werden, weil Gott in Jesus selbst ein Mensch geworden ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26748
weiterlesen...