Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich habe mich geärgert, hab mich ungerecht behandelt gefühlt. Jetzt kommen die Gedanken daran immer wieder hoch. Ich werde sie einfach nicht los.

Dabei habe ich dem Menschen, über den ich mich aufgeregt habe, gleich gesagt, was mich geärgert hat. Er hat es nicht eingesehen, aber ich habe es zumindest ausgesprochen und meinen Standpunkt klar benannt. Eigentlich könnte es für mich jetzt erledigt sein. Ist es aber nicht. Immer wieder merke ich: jetzt diskutiere ich in Gedanken schon wieder mit ihm.. Dieses innere Streitgespräch habe ich vorgestern schon mit ihm geführt. Und gestern. Und heute auch. Das tut mir nicht gut. Es besetzt mich regelrecht. Ich möchte gern mal wieder in Ruhe an etwas Schönes denken und mich einfach freuen -- und nicht nach 2 Minuten wieder genervt sein.

Nun bin ich auf einen Satz gestoßen, den hat ein Mönch im 4. Jahrhundert aufgeschrieben: „Sei ein Türhüter deines Herzens und lass keinen Gedanken ohne Befragung herein.“

Evagrius hieß der Mann. Er hat erst in der quirligen Großstadt Konstantinopel gelebt, mit vielen Menschen um sich herum, und später in der Einsamkeit der ägyptischen Wüste. Ich vermute, dass in beiden Situationen vieles auf ihn eingestürmt ist, mit dem er sich auseinandersetzen musste.

Sein Rat spricht mich an: „Sei ein Türhüter deines Herzens und lass keinen Gedanken ohne Befragung herein.“
Ein Türhüter passt auf. Das also ist meine Aufgabe. Nicht einfach jeden Gedanken in mich reinlassen, sondern erstmal prüfen: „Stopp! Was willst du hier? Stiftest du Unruhe oder Frieden? Bringst du mich weiter oder sorgst du dafür, dass ich mich festfahre?“

Als Türhüter prüfe ich und entscheide selbst, wen ich einlassen will und wen nicht. Eine wichtige Aufgabe, denn Gedanken, die ich einlasse, setzen sich in mir fest und prägen mich. Es ist aber gar nicht so einfach, Gedanken abzuweisen. Deshalb empfiehlt Evagrius, sich einen Gegen-Gedanken zu Hilfe zu holen. Also: wenn zum Beispiel die Wut vor der Tür steht, etwas Barmherziges denken. Dann hat der wütende Gedanke weniger Platz.

Das will ich üben. Wenn mein Ärger wieder auftaucht, dann werde ich meine Tür hüten und gut darauf achten, welchen Gedanken ich einlasse und welchen nicht. Und ich werde mir gute Gedanken zu Hilfe holen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26702
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