SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

(Schubert) GL 388

Das Lied von heute Morgen braucht Zeit. Wer es singt oder hört, muss Geduld mitbringen. Es ist das „Heilig“ aus der sogenannten „Deutschen Messe“ von Franz Schubert. 1826 hat Schubert den vierstimmigen Satz komponiert und gleich dazu geschrieben wie er zu singen ist: sehr langsam.

Heilig, heilig, heilig, heilig ist der Herr.

Heilig, heilig, heilig, heilig ist nur er.

„Heilig ist der Herr. Heilig ist nur er.“ Es ist schnell gesagt, was der Text bis jetzt hergibt: nur Gott ist heilig. Aber die Erfahrung zeigt, dass das sehr lange braucht, bis ich die Worte verinnerlicht oder auch meditiert habe. Darum wird es dem Textdichter Johann Philipp Neumann gegangen sein: dass diejenigen, die singen, auch verstehen, was sie singen. Dass sie es sogar erleben. Und das sprengt die Zeit. Neumann textet nämlich weiter, dass Gott über die Zeit erhaben ist, dass er weder Anfang noch Ende hat. Dass er einfach immer ist. So heißt es in der zweiten Liedhälfte: „Er, der nie begonnen, er der immer war. Ewig ist und waltet, sein wird immerdar.“

          Er, der nie begonnen, er, der immer war.

          Ewig ist und waltet, sein wird immerdar.

Dass das Lied so langsam ist, kann anstrengend sein. Aber genau diese Langsamkeit trifft das, was das Lied sagt. Gott steht über der Zeit. Wer das Lied so langsam mitsingt, erhebt sich quasi über die Zeit. Und das werden Schubert und Neumann mit ihrem „Heilig“-Lied vermutlich auch beabsichtigt haben.

Dieses Lied soll ja in der katholischen Messe an einer ganz bestimmten Stelle gesungen werden. Kurz vor der Wandlung von Brot und Wein. Das ist der Moment in der Messe, den viele Katholiken als besonders mystisch oder als besonders „heilig“ empfinden. Weil Gott sich da ganz konkret in Brot und Wein zeigt, aber gleichzeitig immer noch geheimnisvoll bleibt.

Gut, wenn an der Stelle im Gottesdienst dann dieses Lied kommt. Dann kann ich das in Ruhe bedenken: Gott ist nah, und jetzt ist er da. Gott ist groß und ewig.

Für mich ist das Schubert-Heilig eines der meditativsten Kirchenlieder. Meditation heißt ja, dass ich mir bewusst viel Zeit nehme und dann mit dieser Zeit zu Gott komme. So jedenfalls hat es mir mein Lehrer für Meditation erklärt und das in einer Phase, in der ich nicht allzu viel Lust hatte Gott Zeit zu schenken. Mein Alltag ist eigentlich voll, Zeit ist ständig knapp. Es ist viel zu tun, auch für Gott. Warum dann hinsitzen und still sein oder warum dann dieses langsame Lied hören oder singen?

Mein Lehrer ist ganz klar: „Schenke diese Zeit einfach Gott. Bleib dabei, egal, was dich ablenkt. Sei einfach in seiner Zeit.“        

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26544
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