Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Aufrecht, Herr Föhl“, diesen Satz hat mir mein Trainer immer wieder gesagt. Ich habe neulich nämlich einen Lauf-Workshop gemacht. Dort habe ich gelernt, wie man richtig joggt. Ganz wichtig dabei ist eine aufrechte Körperhaltung. Immer wenn ich den Kopf gesenkt und die Schultern hochgezogen habe, hat mein Trainer gerufen: „Aufrecht, Herr Föhl!“ Ich habe festgestellt: Wenn man aufrecht ist, läuft man wirklich besser. Und nicht nur das. Man fühlt sich auch besser – irgendwie größer und selbstbewusster.

Ich glaube, aufrecht kann auch eine Lebenshaltung bedeuten. Aufrecht lebe ich zum Beispiel, wenn ich aufrichtig bin. Klar, das bedeutet nicht zu lügen und ehrlich zu sein. Aber eine aufrechte Lebenshaltung geht noch weiter: Zum aufrecht leben gehört auch, dass ich meinen Ärger nicht in mich hineinfresse, sondern sage, wenn mich etwas stört. Aufrecht lebe ich, wenn ich mich nicht verbiegen lasse und Dinge tue, die ich eigentlich nicht tun will. Wenn ich zum Beispiel zu viel arbeite und meine Gedanken sich nur um den Beruf drehen, und meine anderen Bedürfnisse zu kurz kommen. Ich glaube, auch mit so einer aufrechten Lebenshaltung fühlt man sich besser.

Aber wie beim Joggen ist das Aufrechtbleiben gar nicht so einfach. Man vergisst es leicht, und ohne es zu merken, sackt man immer mehr in sich zusammen. Dann ist es gut, wenn man jemand hat, der einen erinnert und einem wie mein Trainer im Lauf-Workshop zuruft: „Aufrecht!“.

Für mich ist Gott jemand, der mich daran erinnert, aufrecht zu leben. Er tut das etwa durch seine Gebote: Du sollst nicht stehlen, nicht lügen. Du sollst deinen Nächsten lieben. Und auch dich selbst sollst du lieben und gut mit dir umgehen. Und wenn ich die Geschichten von Jesus in der Bibel lese, fällt mir auf: Jesus hat ständig Menschen aufgerichtet. „Steh auf“ hat er ihnen immer wieder gesagt. Etwa zu einem Mann mit einer verkrüppelten Hand. „Steh auf und stell dich in die Mitte“ hat Jesus ihm gesagt (Markus 3,1-6). Und auch dem Zöllner Zachäus hat Jesus daran erinnert, aufrecht zu leben. Bevor Jesus ihn besucht hat, hat sich Zachäus vom Geld verbiegen lassen. Er hat Menschen übers Ohr gehauen und ihnen das Geld aus der Tasche gezogen. Nach dem Besuch von Jesus hat Zachäus die Menschen, die er betrogen hat, entschädigt. Und die Hälfte von seinem Geld hat er gespendet. (Lukas 19,1-10)

Zachäus war ein kleiner Mann, heißt es in der Bibel. Ich bin mir sicher: Aufrecht hat er sich größer, selbstbewusster und besser gefühlt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26536
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