SWR1 Anstöße sonn- und feiertags
„Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit“. Dieses Lied wird heute sicher in manchen Gottesdiensten gesungen. Auch wenn der Sommer aus meteorologischer Sicht erst in ein paar Tagen beginnt. „Geh aus mein Herz und suche Freud“ hat der evangelische Pfarrer Paul Gerhardt gedichtet. In vielen Strophen beschreibt er die Natur in ihrer ganzen Schönheit: Bäume, Blumen, Vögel und Tiere. Sein Lied sprüht vor Freude an Gottes Schöpfung.
Heute vor 342 Jahren ist Paul Gerhardt gestorben. Wenn ich mir sein Leben anschaue, dann frage ich mich: Wie konnte er das in diesem Lied und in vielen anderen Liedern: Gott loben und ihm dankbar sein? Mit zwölf Jahren hat Paul Gerhardt seinen Vater verloren, zwei Jahre später seine Mutter. Ein älterer Bruder starb an der Pest. Vier seiner fünf Kinder musste Paul Gerhardt beerdigen. Seine Frau starb mit 45 Jahren. Fast sein halbes Leben lang tobte der dreißigjährige Krieg, der ganz Deutschland verwüstet und die Hälfte seiner Einwohner dahingerafft hat.
Wenn ich nur einen Bruchteil von dem erlebt hätte, wäre mir das Gotteslob vermutlich im Halse stecken geblieben. Dabei war Paul Gerhardt kein grober Klotz. Die Schicksalsschläge, die er erleiden musste, sind ihm sehr nah gegangen. Über den Tod seiner Kinder hat er gedichtet:
Ach es ist ein bittres Leiden
und ein rechter Myrrentrank,
sich von seinen Kindern scheiden
durch den schweren Todesgang!
Hier geschieht ein Herzensbrechen,
das kein Mund recht kann aussprechen.
Paul Gerhardt hat beides empfunden: tiefe Trauer und tiefe Freude. Vielleicht war ja das sein Geheimnis: Er hat die schlechten und die guten Erfahrungen nicht gegeneinander aufgerechnet, so wie ich das oft mache. Eine bittere Erfahrung macht für mich eine schöne oder gleich mehrere zunichte. Und am Ende kommt null oder minus heraus. Paul Gerhardt hat das nicht so gemacht. Er hat das Gute für sich stehen lassen und die schlimmen Erfahrungen auch.
Und er hat fest damit gerechnet, dass dieses Leben mit seinen Freuden und Leiden nicht alles ist. Für ihn war der Tod – sein eigener und der von geliebten Menschen – kein Schlusspunkt, sondern der Beginn des Lebens bei Gott. Der Kummer, den er erlebt hat, hat für Paul Gerhardt zu einer Welt gehört, die irgendwann zu Ende geht. Und das Gute – besonders die Schönheit der Natur – war für ihn ein Vorgeschmack auf Gottes neue Welt. So dichtet er auch in „Geh aus mein Herz und suche Freud“: Wenn es hier schon so schön sein kann
Welch hohe Lust welch heller Schein
wird [dann] wohl in Christi Garten sein!
Wie muss es da wohl klingen!