Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Es gab wahrscheinlich keine Zeit, in der die Erwachsenen nicht so allerhand an „der Jugend“ auszusetzen hatten. Das Klagen über den Sittenverfall der Jungen ist schon bei den alten Römern nachzulesen. Und vielleicht haben sich auch die Steinzeitväter schon beklagt, dass die Söhne lieber ihren eigenen Träumen vom Leben nachhingen als anständige tüchtige Jäger zu werden.
An meinem Umgang mit den Jungen zeigt sich, welche Einstellung zur Zukunft ich habe. Erwarte ich, dass alles nur schlechter werden kann, wenn meine Generation die Welt einmal nicht mehr ordnet, sondern Jüngere das Sagen haben? Oder traue ich grundsätzlich allen Menschen zu, dass sie der Welt nicht mehr Schaden zufügen als wir dies heute tun? Und für mich als Christin heißt die Frage: Traue ich jedem Menschen zu, dass Gott auch in ihm wirkt? Auch denen, die mir fremd sind und die ich nicht verstehe, über die ich mich vielleicht sogar ärgere?
Ich möchte heute an Adolf Kolping erinnern, der als der Vater der Handwerksgesel-len die Geschichte des 19. Jahrhunderts mitgeprägt hat; am 8. Dezember ist sein Geburtstag.
Kolping war so einer, der den Menschen, besonders den jungen, viel mehr zutraute als sie sich selbst zuzutrauen gewagt hätten. Er war ein Optimist und glaubte un-nachgiebig an die Kraft Gottes und an die Kraft der Menschen. Es war die Zeit der Industrialisierung mit all den sozialen Spannungen und Umbrüchen; die jungen Ar-beiter waren materiell verarmt und innerlich haltlos geworden. Adolf Kolping klagte nicht darüber, wie schlecht doch die Welt und wie verdorben die Jugend ist, und er ließ es auch niemandem durchgehen, wenn er solche Klagen hörte. Stattdessen be-gann er, die jungen Handwerker, die sich in der Fremde verloren fühlten, zu organi-sieren. Er förderte ihre berufliche Identität und half ihnen zugleich, selbstbewusste Persönlichkeiten zu werden.
Zum Neujahrstag 1851 schrieb Kolping: „…Die Menschen sind gar nicht so schlecht, als man sie sich gern vormacht. Greift sie nur mal mit einer christlichen Hand an, ihr werdet von eurem Irrglauben bald überzeugt sein.“ – Das ist sein Vermächtnis. Und die Botschaft des Advents. https://www.kirche-im-swr.de/?m=2645
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