Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Es gibt Menschen, die müsste man glatt erfinden, wenn sie nicht schon gelebt hätten. Einer, den man zum Glück nicht erst erfinden muss, ist der heilige Nikolaus. Heute ist sein Tag, und die Werbung hat schon dafür gesorgt, dass es keiner vergisst.
Er muss irgendetwas Besonderes haben, dass wir heute noch an ihn denken, und erst recht, dass er sich all die Legenden und Darstellungen und Bräuche, die sich um ihn ranken, klaglos gefallen lässt. Selbst die albernste Karikatur kann ihm nichts an-haben.
Was wir von Nikolaus sicher wissen, hört sich recht nüchtern an. Er lebte im 4. Jahr-hundert, war Christ und wurde später Bischof von Myra, in der Nähe der türkischen Küstenstadt Antalya. Das Christentum hatte sich damals noch nicht durchgesetzt und war auch in sich noch nicht gefestigt. So geriet Nikolaus nicht nur in innerchristliche Auseinandersetzungen, sondern auch in eine späte Christenverfolgung; er wurde gefangen genommen und gefoltert, hatte aber das Glück zu überleben.
Nikolaus muss ein Mann mit Format und Tatkraft gewesen sein; wo immer er auftrat, waren Christen und Nichtchristen von ihm beeindruckt. Nach seinem Tod erzählte man sich noch lange von ihm, und mit jedem Erzählen fiel einem noch etwas ein, wie das beim Erzählen halt so ist. So entstand eine Lebensgeschichte voll wundersamer und manchmal auch etwas skurriler Dinge, die ihm nachgesagt wurden.
Was mich am meisten anspricht, ist eine Episode, die auch aus unserer Zeit stam-men könnte. Nikolaus war zu Ohren gekommen, dass ein Mann in höchster Verzweif-lung schon drauf und dran war, seine drei Töchter zu verkaufen, weil er kein Vermö-gen hatte, um ihnen eine Heirat zu ermöglichen. Nikolaus, so wird erzählt, habe aus seinem privaten Vermögen unbemerkt drei Goldklumpen durchs Fenster in ihr Haus geworfen und die Frauen damit vor der Zwangsprostitution bewahrt. Aus dieser Le-gende entstand später der Brauch, am Nikolaustag Dinge zu verschenken, die eine ähnlich runde Form haben und damit an jene Goldkugeln erinnern. Äpfel und Nüsse, Orangen und Mandarinen wurden so zu den klassischen Nikolausgaben.
Wie gut, dass es in jeder Zeit Menschen wie Nikolaus gibt, Menschen, die nüchtern sehen, was Sache ist, und beherzt tun, was nötig ist. https://www.kirche-im-swr.de/?m=2643
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