Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wenn ich mir die gegenwärtige Weltlage anschaue, überkommt mich oft ein ungutes Gefühl. Die mächtigen Staaten und ihre Politiker lassen wieder die Muskeln spielen. Das erinnert mich verdächtig an den kalten Krieg. Und damit an Zeiten, die ich längst vergangen glaubte. Ist das alles vergessen, was mir damals Angst gemacht hat: das Wettrüsten, das Ausspionieren? Die Atmosphäre der konkurrierenden politischen Lager war von Misstrauen vergiftet. Ich erinnere mich nur zu gut, dass diese Stimmung sich bis in unser Wohnzimmer zuhause eingeschlichen hatte. Das war unangenehm. Ich hatte immer das Gefühl: Das ist nicht gut. Und ich hatte die Hoffnung: Die Menschheit kommt eines Tages darüber hinaus, dass es gut sein könnte, zuerst an sich zu denken, und so Politik zu machen. Offenbar habe ich mich getäuscht. 

Der syrische Machthaber Assad hat Menschen seines eigenen Volkes mit Giftgas bombardiert. Verlässliche Quellen belegen das. Das ist unmenschlich und grausam. Russland toleriert zumindest, was er tut. Auch das ist verwerflich. Dass dann die Alliierten des Westens ihrerseits mit Raketenangriffen reagieren, ist vielleicht innerhalb der Logik des Krieges verständlich, aber es ist moralisch ebenso abzulehnen. Mich erinnert das alles an das berühmte Wort aus der Bibel: Auge um Auge, Zahn um Zahn.[1] Weil die beschriebene Politik offenbar genau nach diesem Prinzip funktioniert: Erst tust Du mir etwas an, dann zahle ich es dir heim, und das geht dann so weiter, bis es womöglich schlimm endet. Am Ende sind alle blind, wenn sie sich gegenseitig die Augen ausstechen. Diese Gefahr sehe ich, und sie macht mir Angst. Weil das in der Geschichte der Menschheit schon so oft so war. Weil ich aus den Erfahrungen meines kleinen Lebens weiß, dass es immer in den Untergang führt, wenn nicht doch einer bereit ist, aus dem Teufelskreis von Drohungen und Gewalt auszubrechen. 

Deutschland hat sich an militärischen Aktionen in Syrien bislang nicht beteiligt. Darüber bin ich froh. Es ist gut, wenn wir als Deutsche nicht vergessen: Von unserem Boden ist der Zweite Weltkrieg ausgegangen. Die Erinnerung daran gehört zu uns.  Sie ist Teil der deutschen Geschichte - auch von denen, die wie ich damals noch gar nicht geboren waren. Mir ist es wichtig, diese Erfahrung lebendig zu halten. Und die Mahnung nicht zu vergessen, die darin enthalten ist: Krieg ist kein Mittel der Politik. 



[1] Ex 21,24

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26323
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