Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

In einer großen deutschen Wochenzeitung gibt es eine Rubrik, die folgende Überschrift trägt: „Was mein Leben reicher macht.“ Dort erzählen Leser von kleinen Glücksmomenten aus ihrem Alltag. Erlebnisse, die sie gerne weiter erzählen und mit anderen teilen möchten. Diese Rubrik lese ich besonders gern. Weil immer etwas dabei ist, das mich tatsächlich froh macht, obwohl ich ja bloß davon lese und es gar nicht selbst erlebt habe. Aber so ist das offenbar mit den schönen Dingen. Sie tun sogar dann noch gut, wenn man nur darüber liest. 

Eine Begebenheit hat mich besonders berührt. In ihr erzählt ein Student, dass er seit Wochen um einen schönen, aber eben auch teuren Füllfederhalter herum schleicht. Immer wieder steht er vor der Auslage eines Geschäfts, schaut ihn an und weiß doch, dass er ihn sich nicht leisten kann. Es würde ein beträchtlicher Teil des Budgets drauf gehen, über das er monatlich verfügt. Und das geht eben nicht. Einmal beobachtet ihn dabei ein älterer Herr. Nach einer Weile spricht er ihn an. Und der Jüngere offenbart ihm seinen geheimen Wunsch. „Wie viel würden Sie denn investieren können, ohne in Probleme zu geraten?“, fragt der Ältere. „Den Rest lege ich drauf. Und habe nur eine Bitte: Dass Sie’s später mal genau so machen, wenn Sie in der komfortablen Lage sind und es sich leisten können.“ Dann schiebt er noch einen Nachsatz hinterher: „Verstehen Sie’s als eine Art Generationenvertrag.“ 

Besonders gefällt mir an dieser Episode, dass es da eben nicht nur um finanzielle Möglichkeiten oder ein materielles Geschenk geht. Der Ältere hat offensichtlich Freude an dem, was er hat und schenkt gerne an andere weiter. Das geht ja schon beträchtlich über das Normalmaß hinaus. Aber der Clou ist, dass er damit einen sozialen Aspekt verbindet, etwas, das für den Zusammenhalt in der Gesellschaft gut ist. Der Reichtum des einen macht das Leben eines anderen reicher. Und das eben nicht nur in materieller Hinsicht. Ich stelle mir vor, wie verblüfft der junge Mann gewesen sein muss. Wie sehr ihn die Großzügigkeit des anderen berührt hat. Wie viele gute Gefühle das in ihm geweckt hat. So eine Erfahrung schenkt Vertrauen. Und steckt an. Das ist der Kitt für unser Zusammenleben. Und schon das Wissen darum, dass das möglich ist, macht das Leben reicher.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26322
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