Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wenn wir an bildliche Darstellungen von Jesus Christus denken, haben wir meistens den Mann am Kreuz vor Augen.

Die frühe Kirche dagegen hat ihn gar nicht oder nur selten so dargestellt.

In den Katakomben Roms, wo wir die frühesten Zeugnisse in Form von Wandmalereien finden, begegnet uns Jesus eher im Bild des guten Hirten oder findet sich ein Hinweis auf ihn im Symbol des Fisches.

Christen der ersten Stunde haben sich dabei auch von der griechischen Mythologie inspirieren lassen. Mehrfach trifft man dabei auf die Gestalt des Orpheus. Die Geschichte des liebenden Spielmanns, der seine Geliebte Eurydike aus dem Hades befreien wollte, war bekannt und musste nicht lange erklärt werden. Den Menschen damals war einfach klar, dass Christus wie Orpheus hinabgestiegen war in die Unterwelt, in das Reich des Todes um die zu retten, die er liebte.

Orpheus seine Eurydike – Christus die ganze Menschheit.

Doch während Orpheus auf dem Weg zurück ins Leben Skrupel bekommt, ob Eurydike ihm auch wirklich folgt und er sie durch seinen Blick zurück für immer verliert, geht der Auferstandene zielstrebend und unbeirrt seinen Weg ins Licht und zieht die ganze Menschheit mit.

Welches Lied Orpheus auf seiner Lyra angestimmt hat, wissen wir nicht. Doch bei Christus war dieses Lied seine Frohe Botschaft - sein Evangelium, durch das Todgeglaubte und die, die am Rand der Gesellschaft standen wieder zum Leben kommen sollten. Ein Lied der Hoffnung und der Freude, das zudem ein Leben nach dem Tod verheißt. Kein Singsang der so schnell verhallt wie gesungen, vielmehr eine bleibende Zusage, die bis zum heutigen Tag Herzen der Menschen erreichen und verwandeln will.

Es fordert auf, in seiner Liebe zu bleiben, sich konkret um Arme und Schwache zu kümmern und dem zu trauen, der gesagt hat, dass er gekommen sei, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben.

Eine nachhaltige Botschaft, ein eingehendes Lied, das schon einen frühen Lehrer der Kirche, Clemens von Alexandrien, ausrufen ließ:

„Sieh, was das neue Lied vollbrachte:

Menschen hat es aus Steinen – Menschen aus Tieren gemacht.

Und die sonst wie tot waren und keinen Anteil am wahren Leben hatten,

sie wurden wieder lebendig, sobald sie nur Hörer des Gesanges geworden waren.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26218
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