Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Es ist ja auch kaum zu begreifen, dass Jesus von den Toten auferstanden sein soll. Zumal ich mir nicht so recht vorstellen kann, was das heißt, von den Toten auferweckt zu werden und ein ewiges Leben bei Gott zu haben. Ich hoffe darauf – aber so recht vorstellen kann ich es mir nicht.

Vielleicht ist mir deshalb einer der Jünger Jesu so nah. Thomas – manchmal wird er auch der ungläubige Thomas genannt. Wobei ich ungläubig für falsch halte - er eigentlich nicht ungläubig war, sondern Zweifel hatte. Der zweifelnde Thomas trifft es für mich eher. Thomas kann nicht so einfach glauben, was seine Freunde ihm da erzählen. Dass Jesus nach seinem Tod lebe, dass er bei ihnen gewesen sei - leibhaftig. Stopp, sagt Thomas – „bevor ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht“.

Glaube ich gar nichts. Da könnte ja jeder kommen! Doch der eine, Jesus, kommt wieder. Nicht gleich – nach 8 Tagen, laut Bibel, zeigt er sich.

Thomas sieht – er muss die Wunde nicht berühren – und begreift: Er ist es wirklich.

Thomas will sehen und Jesus will sich zeigen, so wie er ist – jetzt ist. Mit all seinen Wunden und Verwundungen kann er – kann der Mensch sich sehen

lassen. Das ist für mich ein wichtiger Aspekt, der mir hilft, eine Ahnung davonzu bekommen, wasAuferstehung sein könnte.

Jesus zeigt sich versöhnt mit seinen Wunden. „Friede, sei mit Euch“ spricht er seine Jünger an. Da ist keine Anklage, nichts von wegen: „warum habt ihr mich im Stich gelassen, mich verraten, verleugnet, hinrichten lassen.

Er ist im Frieden mit sich und der Welt. Er ist verändert, durch den Tod verändert, gezeichnet und doch derselbe. Thomas sieht ihn – sieht ihn vielleicht ganz neu. Und begreift, dass dieses neue auferstandeneLeben viel mit Aussöhnen, sich Versöhnen mit dem Leben und dem Tod zu tun hat. Er sieht ihn mit anderen Augen. Mit Osteraugengewissermaßen. Solche Augen hat sichder ehemalige Aachener Bischof Klaus Hemmerle gewünscht. Sich und uns gewünscht. Von schwerer Krankheitgezeichnet hat er folgenden Text geschrieben:

 

 „Ich wünsche uns Osteraugen,

die im Tod bis zum Leben, zu sehen vermögen  

in der Schuld bis zur Vergebung,

in der Trennung bis zur Einheit,

in den Wunden bis zur Herrlichkeit,

im Menschen bis zu Gott,

in Gott bis zum Menschen,

im Ich bis zum Du

Klaus Hemmerle, Bischof von Aachen

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26216
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