Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Hauptsache gesund. Stimmt dieser Satz, den so viele sagen? Müsste es nicht vor allem heißen, „Hauptsache geliebt?“ Ja klar, Gesundheit ist ein sehr hohes Gut. Und wer einmal schwer krank gewesen ist, nimmt es nicht mehr selbstverständlich, gesund zu sein. Neulich aber habe ich ein Interview mit einer jungen Mutter gelesen. Ihre Tochter Nina ist von Geburt an schwer behindert.

Die Mutter hat erzählt, wie sie vor einigen Jahren mit ihrer damals einjährigen Tochter im Kinderwagen spazieren gegangen ist. Zwei ältere Damen sind ihnen entgegengekommen. Noch bevor sie die Kleine von nahem gesehen haben, hat die eine freundlich gefragt „Ist es ein Junge oder ein Mädchen?“ Und die zweite hat gleich gesagt: „Ach, Hauptsache gesund!“ Dann erst haben sie gesehen: das Kind wird künstlich ernährt. Ganz betroffen sind die beiden dagestanden. Und auch die Mutter ist in dem Moment hilflos gewesen und hat nicht gewusst, was sie sagen soll. Stunden später, mitten in der Nacht, ist sie aufgewacht, hat ihren Mann geweckt und gesagt: „Jetzt weiß ich’s! Ich hätte sagen können: Nicht ‚Hauptsache gesund‘. ‚Hauptsache geliebt‘!

Mir ist das unter die Haut gegangen, was die junge Mutter da gesagt und für sich entdeckt hat. Es ist ein hohes Gut, gesund zu sein. Aber noch wichtiger ist es, geliebt zu sein. Das erleben Ninas Eltern mit ihrer Tochter. Und ihre Tochter erlebt es mit ihnen.

Hauptsache geliebt. Natürlich ist die Gesundheit dann trotzdem wichtig! Aber sie ist nicht die Hauptsache. Denn ohne die Hauptsache ist ja alles andere nichts. Oder zumindest nicht so viel wert.

Ninas Eltern könnten wahrscheinlich von tausend Sorgen, durchwachten Nächten und Verzweiflung erzählen. Und doch könnten sie auch von Liebe erzählen. Davon, wie unendlich wertvoll es ist, zu lieben und geliebt zu werden. Es unbezahlbar zu erleben: Ich werde angenommen. So wie ich bin. Gesund oder nicht, jung oder alt, erfolgreich oder nicht. Hauptsache geliebt.

Wir Christen glauben: „Gott ist die Liebe.“ Nicht „Gott ist Gesundheit.“
„Gott ist die Liebe!“ Das ist nichts, was er nebenbei auch noch ist. Es ist die Hauptsache. Dass er Menschen annimmt, sie liebt ohne Wenn und Aber – das steht über allem.

Ich habe mir vorgenommen, nicht mehr zu sagen „Hauptsache gesund“. Und wenn es mir jemand wünscht, am Geburtstag oder an Silvester, dann hoffe ich, mir fällt wieder ein, was Ninas Mutter gesagt hat: „Hauptsache geliebt!“.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26191
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