Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Sei ein Mensch mein Kind“* das sagt die jüdische Großmutter zu ihrer Enkelin, in einem Roman den ich gerade gelesen habe. Das Vermächtnis der Großmutter an ihre Enkelin, das, was sie ihr weitergeben möchte: Sei ein Mensch!                                                                                             „Mensch“ ist im Jiddischen mehr als nur Mensch. Mehr als die Sammelbezeichnung für uns denkende Lebewesen. Juden sprechen von einem wirklichen Mensch, wenn eine Frau oder ein Mann rechtschaffen ist, Charakter hat, vertrauenswürdig ist, tapfer und achtsam. Jemand den man sich als Freund wünscht oder wenn man in Not ist. Diese spezielle hohe Bedeutung von Mensch ist über die jiddische Sprache auch ins Englische eingegangen, wenn  z. B. von „a real Mensch“ die Rede ist oder der frühere Bürgermeister von New York City, Bloomberg, in der Zeitung „Mike the Mensch“ genannt wurde. Wenn jemand so beschrieben wird, ist es ein Ausdruck von großem Respekt diesem Menschen gegenüber. Aber bei diesem Respekt geht es nicht um Macht, Erfolg oder Reichtum, sondern um Eigenschaften die diesen Mensch als Mensch so kostbar machen. Und die kann man beschreiben. Sie sind in vielen guten Menschen zu finden. Aber ein Mensch im jüdischen Sinn vereint viele dieser Eigenschaften in sich. Und wird in der jüdischen Tradition in etwa so beschrieben: Ein wirklicher Mensch ist zum Beispiel achtsam im Umgang mit anderen Menschen: zu Hause, bei der Arbeit oder im Autoverkehr. Ein Mensch tut das Richtige, weil er von Ehrlichkeit geleitet ist, weil er glaubwürdig ist und nicht darauf schaut was ihm das bringt. Ein richtiger Mensch weiß, dass seine Taten Folgen haben, darum ist er vorsichtig und nachsichtig, hat seine Gefühle unter Kontrolle und bedenkt bei dem was er tut auch immer das Ende. Ein Mensch behandelt jede Person mit Respekt, weil er weiß, dass jede Frau, jeder Mann und jedes Kind ein einmaliger Mensch ist, wie er. Darum beurteilt er sie auch nicht nach ihrer äußeren Erscheinung und bemüht sich, den anderen zu verstehen. Ein wirklicher Mensch hat auch Mut, Mut das Richtige zu tun, selbst wenn es ihm Nachteile bringt. Und den Mut zuzugeben, wenn er bei etwas falsch liegt oder einen Fehler gemacht hat. Und schließlich: Ein wirklicher Mensch sorgt sich um seine Familie, sein Lebensumfeld und um die Welt…

*Quellenverzeichnis:Claire Hajaj „Der Duft von bitteren Orangen“, Verlag Blanvalet 2014, München

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26164
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