Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Unsern täglichen Mord gib uns heute“ Das ist die Kurzbeschreibung des Autors Manfred Hinrich für das Fernsehen. Und er hat Recht, mehr als Recht! 365 Krimis gab es in der Woche im Fernsehen, in der ich diesen Beitrag geschrieben habe. Und nehmen wir nur eine Leiche pro Krimi, dann haben wir nicht nur einen täglichen Mord im Fernsehen, sondern deren 52 pro Tag oder aufs Jahr gerechnet rund 19.000! Das hat mit unserer Wirklichkeit natürlich nichts zu tun. Denn tatsächlich gab es im Jahr 2016 in ganz Deutschland nur 373 Morde. Aber warum ist das Fernsehen dann so voll von Sendungen mit Titeln wie: „Mord mit Aussicht“, „Mord am Meer“, „Nord, Nord, Mord“, „Mord in bester Gesellschaft“, „Mord unterm Kreuz“ oder „Mörderische Paare“? Und warum werden die Sender nicht müde ihre Programme mit Krimis zu fluten? Wie mit den tausenden Tatorten, den ganzen SOKO’s in München, Wismar oder Leipzig? Dem ganzen Krimi-Tourismus nach Kroatien, Tel Aviv oder Zürich? Ich denke weil wir Menschen einfach gern Miträtseln wer wohl der Täter ist. Weil wir das Außergewöhnliche mögen oder den Nervenkitzel brauchen. Weil es um Gut und Böse geht in den Krimis und wir sehen wollen, dass Gute gewinnt. Und nicht zuletzt vielleicht auch, weil wir den Tod fürchten und gleichzeitig fasziniert von ihm sind? Und uns nur trauen ihm aus sicherer Entfernung im Fernsehsessel zu begegnen? Die Toten in unserem wirklichen Leben sind unsichtbar geworden. Gestorben wird meist außer Haus. Weit weg von uns. Früher wurden die Toten zu Hause aufgebahrt, heute schauen wir sie im Fernsehen an. Den Tod aus zweiter Hand, auf dem Bildschirm, statt real vor Augen.

Vielleicht brauchen wir Menschen ja den Tod für unser Leben. Als schockierend leblosen Gegenpol zu unserem Dasein. Der uns hilft bewusster zu leben, intensiver und um zu wissen wofür wir leben. Und weil der Tod aus unserem wirklichen Leben so gut wie verschwunden ist, schauen wir ihn im Fernsehen an, täglich mit zahllosen Leichen.Nur hilft das nicht wirklich, weil das keine wirkliche Begegnung ist, keine wirkliche Konfrontation mit ihm. Denn wer schon bei Sterbenden war oder bei Toten gesessen hat, weiß um die Größe und Würde des Todes. Und wird feststellen, dass er seine massenhafte Zurschaustellung im Fernsehen nicht mehr braucht…

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26163
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