Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ein Kreuz ist das Symbol für das Christentum. So, wie der Halbmond für den Islam und der Davidsstern für das Judentum.
Ein Kreuz – nicht ein Pluszeichen. Im Gegenteil. Eher ein Minus-Zeichen. Wenn einer am Kreuz hängt, dann ist er fertig. Am Ende. In der Antike wurden Menschen hingerichtet an solchen Kreuzen zur Abschreckung für andere. So wie Jesus Christus, von dem die Christen ihren Namen haben.

In jeder Kirche hängen Kreuze, manchmal mit dem sterbenden Jesus daran: ein blutender, zerschundener, hilfloser Mensch.
Wie kann man nur, fragen viele. So ein grausames Bild – was ist das für ein Glauben! Muslime zum Beispiel sagen: Wie kann der Gottes Sohn sein. Gott ist allmächtig und stark und prächtig. Nur so kann er ein Schutz sein für die Gläubigen.

Wir Christen dagegen glauben: Genau so hat sich Gott gezeigt. In diesem Menschen Jesus, der am Ende von vielen verspottet und verachtet, verfolgt und hingerichtet wurde. Ohnmächtig und den Menschen ausgeliefert. Auch so hat sich Gott gezeigt.
Deshalb hängen Christen Kreuze auf bis heute und viele finden: so tröstet mich Gott. Dieser Gott, der da mit Jesus am Kreuz hängt. Der tröstet mich, wenn es mir selber schlecht geht und ich am Ende bin. Die Welt ist ja nicht das Paradies und ich habe nicht nur gute Stunden.

Deshalb hat man genau diesen leidenden, sterbenden Christus am Kreuz in den Krankenhäusern  des Mittelalters aufgehängt. Deshalb hängen bis heute Kreuze in vielen Krankenzimmern. Deswegen hängen Kreuze in armseligen Hütten. Die Leidenden und Sterbenden, die Armen und Verlassenen vergewissern sich: Gott verlässt keinen, dem es so geht wie mir. Die Ohnmächtigen vergewissern sich: Gott ist einer von uns. Er ist eben nicht ein muskelbepackter Held, wie die griechischen Statuen ihre Götter dargestellt hatten. Nicht einer, der sich abwendet von denen, die nicht so stark und so tüchtig sind. Gott selbst ist da, wo Menschen leiden. Er ist gerade für die da, die sonst kaum noch etwas haben. Die müssen nicht meinen: Nun hat mich auch Gott verlassen, weil ich mir selbst nicht helfen kann.

Dagegen steht dieses Kreuz. Gott selbst macht sich gemein mit den Leidenden. Er ist bei denen, die sterben müssen. „Ein Arzt ist für die Kranken da“, hat Jesus zu seinen Lebzeiten gesagt, „nicht für die Gesunden“ (Lk 5, 31) Ich glaube deshalb: So ist Gott. Er lässt die nicht fallen, die in Not geraten sind. Er ist immer noch da, auch wenn sich alle anderen von mir abwenden.
Und er bleibt da, auch über den Tod hinaus. Er hält mich in seiner Hand. Auch daran erinnert mich das Kreuz.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26107
weiterlesen...