Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Kleine Jungen heißen heute Paul und Emil, Friedrich und August. Namen aus der Generation ihrer Urgroßväter. Viele davon finden sich unter den ersten 50 der Hitliste männlicher Vornamen. Einer allerdings findet sich nicht darunter: Josef.
Josef ist nicht modern. Ich habe mich neulich über den Namen Josef informiert, weil heute Josefstag ist. Menschen, die Josef heißen oder Josefa, Jussuf oder Josefine haben heute Namenstag.
Warum nennen junge Eltern ihre Söhne Paul oder Emil aber nicht Josef? Ich habe eine junge Mutter gefragt. „Josef ist doch uncool,“ hat sie geantwortet. „Ich stelle mir einen alten Mann vor, zitternd und ein bisschen verwirrt. Das ist doch kein Vorbild für einen Jungen von heute“.

Ganz offensichtlich denkt die junge Frau an Josef aus der Weihnachtsgeschichte. Und es ist wahr – auf alten Gemälden wird er als Greis dargestellt. Einer, der vielleicht Großvater ist, aber bestimmt nicht Vater eines Neugeborenen. Andererseits: Er fehlt nie. Josef ist immer dabei auf den Altarbildern und Kirchenfenstern zur Weihnachtsgeschichte. Josef, der Mann der Maria, der Zimmermann aus Nazareth, der Ziehvater von Jesus. Eigentlich ist das alles, was man von ihm wissen kann. Von seinen Träumen erzählt die Bibel. Träume, die ihm zeigen, wie er Jesus und seine Mutter vor dem brutalen König Herodes retten kann. Geträumt hat er also. Aber gesprochen hat er anscheinend nicht viel. In der Bibel ist kein Wort von ihm überliefert. Kein Wunder, dass die frühen Maler ihn irgendwie ins Dunkel des Stalles gemalt haben, hinten, zwischen Ochs und Esel.

Das hat sich erst nach dem 30jährigen Krieg geändert. Auf einmal wird Josef wichtig. Es werden Bilder gemalt von der Heiligen Familie, Josef in seiner Werkstadt, Maria kocht, Jesus schaut dem Vater zu oder legt gar mit Hand an. Die Heilige Familie beim Essen oder im Garten. Josef als fürsorglicher Erzieher und Ausbilder seines Sohnes. Anscheinend hatten die Maler da kapiert, dass in Josef viel mehr steckt. Und darum haben sie den im Krieg verrohten und verwahrlosten Männern diesen Josef als Vorbild vor Augen gestellt.

Wie Josef wirklich war, das kann man nicht wissen. Aber klar scheint mir: Ohne ihn wäre es schnell aus gewesen mit Maria und ihrem Sohn Jesus. Sie haben ihn gebraucht. Er hat für sie getan, was er konnte. Ein Greis ist er bestimmt nicht gewesen. Ohne ihn wäre die Geschichte Gottes mit den Menschen ins Stocken geraten, ehe sie richtig angefangen hat. Auch wenn sie nicht gerade Josef heißen: Ich finde, wir brauchen viel mehr solche Männer.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26106
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