Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ein Foto in meiner Tageszeitung macht mich neugierig. Da sitzt ein grauhaariger Herr mit Jugendlichen in einem Zimmer mit edlen Möbeln und Bildern. Die Jungs scheinen auf den ersten Blick da nicht so recht reinzupassen. Undercut, blondierte Haare, ihrer Hautfarbe nach aus unterschiedlichen Ländern dieser Erde. Der Mann ist 72 Jahre alt und Sozialpädagoge. Einen Teil seiner Zeit verbringt er damit, Kinder und Jugendliche zu unterstützen, die es schwer haben. Bei ihm sollen sie im Überfluss bekommen, was in ihrem bisherigen Leben gefehlt hat: Essen, so viel sie wollen, jemanden, der ihnen zuhört und der ihnen vertraut. Er selbst macht zwischen den Jugendlichen keinen Unterschied. Deshalb kommen in seinem Haus Menschen zusammen, die sonst wenig miteinander zu tun haben. Abiturienten und Sonderschüler, Jugendliche, die Sozialstunden ableisten und solche die einfach nur Hausaufgaben machen müssen, Flüchtlinge und andere, die fremdenfeindliche Ansichten haben. Bei ihm erleben sie, wie es geht, sich trotz aller Unterschiede respektvoll zu begegnen.

„Wer weiß, wann einer dem anderen mal helfen kann“, sagt er. Den Tisch deckt er immer mit ein oder zwei Tellern mehr als er Gäste erwartet. Und signalisiert damit, dass jeder willkommen ist, der kommen will.

Einige Jugendliche begleitet er über viele Monate und Jahre. Mit ihnen legt er sogenannte „Lebensordner“ an. Da kommt alles hinein, was wichtig werden könnte. Zeugnisse, Bescheinigungen, Zeitungsausschnitte, Fotos, Postkarten und Erinnerungen. Er weiß: „Das ist eine Möglichkeit, einem Geschichtslosen eine Geschichte zu geben“.

Die Zukunft vieler Jugendlicher, die zu ihm kommen, ist ungewiss. Eine Zeit lang können Sie bei dem älteren Herrn einfach sein. In ihm finden sie jemanden, der an sie glaubt.

Mich beeindruckt der Mann. Auch deshalb, weil er als 72jähriger noch die Kraft hat, sich gesellschaftlich einzumischen. Er tut es freiwillig. Offenbar hat ihn seine Arbeit als Pädagoge nicht müde gemacht und ausgebrannt. Er lebt für seine Überzeugung und sagt:

„Menschen brauchen eine wohlwollende Umgebung damit sie selbst belastbare Beziehungen aufbauen können. Jeder Mensch braucht jemanden, der an ihn glaubt.“

 

Schwäbisches Tagblatt, Donnerstag, 4. 01.2018, Dunja Bernhard: Vertrauen ist Teil des Konzepts.


 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25936
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