Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Heim!“ Das war wohl eines der ersten Worte die ich als Kleinkind gesprochen hab. Meine Eltern haben mir erzählt, wie ich Anfang der 60er Jahre durch unser noch unverputztes Haus gewackelt bin und wohl den Ort gesucht habe, der davor mein Zuhause gewesen war. Heim, nach Hause, Heimat.

 

Heim ist der Kern dieses urmenschlichen Wortes Heimat, das auch als eines der schönsten deutschen Worte gilt. Warum wohl?

Vielleicht weil es sich nach Geborgenheit anfühlt, nach Aufgehoben sein, im Vaterland, in der Muttersprache. Vielleicht weil es nach Kindheit schmeckt, nach den ersten Abenteuern der Jugend. Vielleicht weil die Landschaft dort so gleich geblieben ist, obwohl die Bäume größer, die Häuser anders und die Straßen mehr geworden sind.

Wenn ich eine Heimat habe, bleibe ich vertraut mit einer Zeit und einer Gegend obwohl die Zeit eine andere ist und die Gegend sich verändert hat. So als ob die Vergänglichkeit des Lebens an einem Ort angehalten wurde. Das ist spürbar, das ist hörbar bei der Sprache. Weil ich mit einer Hamburgerin verheiratet bin, bin ich des Hochdeutschen mittlerweile einigermaßen mächtig. Aber, wenn ich in meine Heimat fahre, schwätz ich, je näher ich ihr komme, desto breiteres Oberschwäbisch - und zwar so automatisch, wie mit Lust und Leidenschaft. Auf einmal bin ich wieder daheim, auch wenn ich mittlerweile woanders gern zuhause bin.

Und so kann ich es gut nachvollziehen, was es für meine Eltern und Großeltern bedeutet haben muss, durch den Krieg ihre Heimat zu verlieren. Dieser Verlust konnte für sie nur dadurch erträglich werden, dass sie die, die sie geliebt haben, bei sich hatten.

Dass Menschen einander Heimat sein können, brauchen sie wie Brot. Darum halte ich auch den Familiennachzug für Geflüchtete für einen selbstverständlichen Akt der Menschlichkeit.

Von meiner Herkunftsfamilie und ihrer Fluchtgeschichte hab ich wohl mein starkes Mitgefühl für Menschen die ihre Heimat verlassen müssen. Weil ich weiß welcher Verlust das ist, wie lange er weh tut und wie lange es braucht heimisch zu werden. Für die, die zugezogen sind, wie auch für die die die Fremden freiwillig oder unfreiwillig aufgenommen haben. In das was allen gehört, aber in niemandes Besitz ist: die Heimat.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25809
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