Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Müssen Christen Sozialisten sein?“ in den 70er Jahren war das eine Frage, die mich und meine Mitstudenten umgetrieben hat. Eigentlich dachte ich, diese Diskussion wäre überholt – jetzt ist sie wieder da. Der Chefredakteur der Zeitung „Die Welt“ hat sich am Heiligen Abend über die Predigt geärgert und per Twitter gefragt: „Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den Jusos bzw. bei der Grünen Jugend verbracht?“ Keine politischen Worte will er hören, schreibt er, sondern mehr Seelsorge in der Predigt.

Aber ich glaube, so kann man nicht trennen zwischen Seelsorge und Engagement für eine gerechtere Welt. Jesus selbst hat die Reichen kritisiert, die ungerührt mitansehen, wie die Armen vor Ihrer Türe im Elend liegen. Selig hat er gesagt, sind die, die Gerechtigkeit wollen und Frieden stiften. Und er hat von einem Gutsbesitzer erzählt, der allen seinen Arbeitern einen Lohn bezahlt hat, von dem sie leben konnten. Auch denen, die keine Chance hatten, das selbst zu verdienen. Und das ist für Christen seit 2000 Jahren unverzichtbar.

Ich habe darum den Eindruck, dass zuerst die Christen da waren mit ihrem Engagement für gerechte Verhältnisse in der Welt. Die Christen – und davor die Juden. Die Propheten des Alten Testaments haben ihre selbstsüchtigen Mitbürger angeklagt, weil Gott Barmherzigkeit will. Und wo es die nicht gibt, da sind die schönsten Gottesdienste nur leeres Geplärre.

Wie schön, wenn sich in der Politik, ganz gleich in welcher Partei, Bemühungen um Gerechtigkeit und Frieden und sozialen Ausgleich finden. Als Christin freut mich das und ich sage mir: Wie schön, dass sie von uns gelernt haben!

Gewiss, ich weiß, wohin es führen kann, wenn die Menschen es in ihre eigene Hand nehmen, Gerechtigkeit zu schaffen. Der menschengemachte Sozialismus hat vor allem Gewalt und Unrecht gebracht und wieder zur gnadenlosen Herrschaft der einen über die anderen geführt. Mir scheint: Das passiert, wenn man Gott vergisst und die ungerechten Verhältnisse einfach bloß umdreht?.

„Du sollst Gott lieben und Deinen Nächsten wie dich selbst.“ Das ist der Weg, der zu mehr Gerechtigkeit führt, glaube ich. Wer barmherzig mit anderen umgeht, hat Jesus gesagt, der ist selig. Und wer sich für den Frieden einsetzt. Und wer nach Gerechtigkeit strebt.

Deshalb meine ich: Christen müssen sich auch zu politischen Fragen äußern. Seelsorge und die Welt gerechter machen geht bei Jesus und den Propheten parallel: Es ist gut, finde ich, wenn sich die Politik daran hält.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25755
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