Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Und führe uns nicht in Versuchung“. Das ist ein Satz aus dem Gebet, das Christen von Jesus gelernt haben. Er selbst hat seine Jünger gelehrt, so zu beten. „Und führe uns nicht in Versuchung“.

Das ist kein einfacher Satz. Viele Christen nehmen Anstoß daran. Sie wollen und können sich nicht vorstellen, dass Gott einem Menschen den falschen Weg zeigt. Oder jedenfalls den schwierigen, den Weg, der einen womöglich dazu bringt, einen Fehler zu machen. Tut ein guter Vater das? Schaut lächelnd zu, wie einer den falschen Weg geht?

Schon zu biblischen Zeiten konnten sich manche Christen das offensichtlich nicht vorstellen. In der Bibel schreibt Jakobus in einem Brief: „Doch wenn jemand in Versuchung gerät, 'Böses zu tun,' soll er nicht sagen: Es ist Gott, der mich in Versuchung führt! Denn so wenig Gott selbst zu etwas Bösem verführt werden kann, so wenig verführt er seinerseits jemand dazu." (Jak 1,13f) Jeder Mensch wird vielmehr durch seine eigene Begierde verführt, heißt es dann noch.

Sollte man deshalb vielleicht den Wortlaut des Vaterunsers ändern, also in Zukunft lieber sagen: „Und lass uns nicht in Versuchung geraten?“ Der Papst hat kurz vor Weihnachten so einen Vorschlag gemacht.

Nun weiß niemand so ganz genau, wie Jesus gebetet hat. Auch die ältesten erhaltenen Fassungen des Vaterunsers sind griechisch. Jesus hat aber Aramäisch gesprochen. Das griechische Vaterunser ist also eine Übersetzung. Der aramäische Wortlaut ist unbekannt.

Aber: In Deutschland verbindet das Vaterunser die Christen aller Konfessionen. Jeder kennt dieses Gebet. Sollte man anfangen, da etwas zu ändern?

Vor allem aber denke ich: Die gewissermaßen entschärfte Fassung macht es sich zu einfach. Gott hat unsere Welt geschaffen wie sie ist – mit der Möglichkeit, dass Menschen sich falsch entscheiden. Mit der Möglichkeit, das Menschen Böses tun. Mit der Versuchung. Schon im Paradies, erzählt die Bibel, gab es den Baum der Erkenntnis, von dem die Menschen nicht essen sollten. Gott hat sie gewarnt. Aber sie haben es doch gemacht. Hätte Gott es verhindern sollen? Die Welt so einrichten, dass es die Möglichkeit des Bösen gar nicht gibt? Das wäre zweifellos schön. Aber die Welt ist nun mal kein Kindergeburtstag. Alles hat zwei Seiten. Und die Freiheit sich zu entscheiden, birgt die Möglichkeit in sich, das Falsche zu tun.

Ich gebe zu, ich hätte das auch gern anders. Aber die Welt ist wie sie ist. Und mir bleibt nichts anderes als zu bitten: „Und führe uns nicht in Versuchung.“ – sondern zeig mir den richtigen Weg.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25754
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