SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Wie Jesus mit den Menschen umgegangen ist, das gefällt mir. Er ist ihnen auf Augenhöhe begegnet. Er hat die Menschen gesehen: Mit Ihrer Freude, wenn sie etwas wiederfinden, das sie verloren haben. Mit ihren Sorgen, wenn es einfach nicht klappen will mit der Heilung. Jesus hat die Menschen angeschaut und durchgeblickt. Nicht wie Menschen gerne gesehen werden wollen, sondern wie sie wirklich sind und was sie brauchen, dafür hatte er Augen und ein Herz.

Was für die meisten Menschen heute wichtig ist, dem hat Jesus nicht viel Beachtung geschenkt. Auto. Klamotten. Bankkonto. Das alles hat er nicht verboten, aber es war nicht entscheidend für ihn. Er hat die Menschen nicht höher eingestuft, weil sie einen Titel haben und hat sie nicht besser gefunden, weil sie in feinen Kreisen verkehren. 

Ein Mann hat mir erzählt, dass er als Kind in der Schule darunter gelitten hat, dass er mit seiner Familie in einem heruntergekommenen Viertel gelebt hat. Ein schlechtes Viertel hat man gesagt. Hinter der Mauer. Das war wie ein Stempel. Da haben die gewohnt, die Probleme hatten. Mit dem Geld, mit dem Alkohol, mit der Ehe. Es hat lange gedauert, hat der Mann gesagt, ich war schon Jahre weggezogen, bis ich mich von diesem Stempel befreien konnte.

Es sieht so aus, dass in unserer Gesellschaft Ansehen und Größe, Herkunft und Besitz immer wichtiger werden. Das fängt schon bei den Kindern an. Ein Mädchen weint. Sie wird nicht mehr zu den Geburtstagsfesten eingeladen, weil sie selbst nicht zu einer schicken Geburtstagsparty einladen kann.

Jesus hat den Spieß umgedreht. Er hat mit den kleinen Leuten sympathisiert. Seine Freunde waren Fischer und Handwerker. Er hat mit denen gegessen, bei denen selten Gäste über die Schwelle kamen. Kindern und Kranken hat er gezeigt, dass sie wichtig sind, auch wenn sie keine Leistung bringen. Das hat er von seinem himmlischen Vater übernommen. Der hatte von Anfang an eine Schwäche für die Kleinen, auch mit Jesus hat Gott ganz klein angefangen. Als Kind im Stall.

Ich finde es aufregend, wenn ich mich an Jesus orientiere und den Maßstab umdrehe. Wenn ich nicht das Große bewundere, sondern dem Unscheinbaren etwas zutraue. Das ändert viel.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25724
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