Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich kann es nicht glauben, aber es ist so. Künstler sagen Konzerte in Israel ab. Boykottieren Juden wie damals in Nazideutschland. Oder: Mitten in Berlin hetzt ein Mann vor einem jüdischen Restaurant und schwafelt was von „vergasen.“

Und in Heilbronn attackieren Unbekannte eine Gedenkstätte und zerstören Gegenstände der jüdischen Gemeinde. Ich will es nicht glauben und trotzdem stimmt es. Eine Schande ist das. Ich schäme mich und es macht mich wütend.

Ich kann es nicht glauben, dass immer noch so viele Menschen Antisemiten sind. Und es offen zeigen und so widerwärtig ausleben. Es widerspricht allem, was ich als Deutscher richtig finde und als Christ glaube. Wir wissen doch, was richtig ist gegenüber jüdischen Menschen, die Deutsche sind wie Sie und ich.

Und was tun Künstler wie Roger Waters oder Lorde, die in Israel ihre Konzerte absagen? Sie unterstützen mit ihrem Boykott alle, die Israel von der Landkarte tilgen wollen. Jedenfalls moralisch. Sie untergraben das Recht der Israelis, dass sie im Nahen Osten leben dürfen. Das kann ich als Deutscher nur falsch finden.

Als Christ schäme ich mich sehr, dass Menschen jüdischen Glaubens und jüdische Gemeinden bei uns angefeindet werden und sich nicht sicher fühlen. Synagogen müssen von der Polizei bewacht werden und trotzdem passieren Übergriffe wie in Heilbronn. Wie würde es uns als evangelische oder katholische Christen gehen, wenn unsere Kirchen von der Polizei geschützt werden müssten. Man kann froh sein, dass Polizisten und Justiz für den Schutz jüdischer Einrichtungen einstehen. Aber eigentlich sollte es doch so sein, dass Gotteshäuser gar keinen Schutz brauchen. Und jeder jüdische Mensch müsste sich so sicher fühlen wie in Abrahams Schoß. Gerade bei uns.

Ich glaube, dafür sind Sie und ich als Christen auch persönlich verantwortlich. Menschen jüdischen Glaubens sind unsere Glaubensgeschwister. Sie sind uns näher als jede andere Religion. Wir haben als Christen jüdische Wurzeln. Jesus ist Jude gewesen. Wir glauben an seinen Gott.

Eigentlich sind jüdische Menschen so etwas wie unsere religiösen Eltern. Wenn sie sich nicht sicher fühlen, ist es als ob meine Mutter oder Ihr Vater sich nicht mehr sicher fühlen.

Ich denke daran, was Dietrich Bonhoeffer uns Christen ins Stammbuch geschrieben hat vor 80 Jahren in Nazideutschland.

Nur wer für die Juden schreit, darf auch fromme christliche Lieder singen, hat Dietrich Bonhoeffer sinngemäß gesagt. Ich finde, das stimmt immer noch.

Dietrich Bonhoeffer hat wörtlich gesagt: „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25681
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