Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Wie können meine Kinder nur so verschieden empfinden. Dass sie so auseinander geraten.“ Hat mir ein Freund geklagt. Traurig und erschrocken.

Eine Tochter mag nicht mehr mit ihren Geschwistern zusammen kommen. Sie sind alle über 40. Aber der Vater hat das Gefühl, dass Konflikte aus der Jugend heute stärker wirken als vor 25 Jahren.

Was mein Freund erzählt hat, hat mich erinnert, dass sehr viele Eltern ähnliches erleben, seit es Familien gibt.

Schon in Geschichten, die 3000 Jahre alt sind, spürt man das. Die ersten Konflikte in der Bibel erzählen von Auseinandersetzungen zwischen Geschwistern.

Josef und seine Brüder zB. Zu zwölft waren sie. Es hat immer wieder zwischen ihnen gekracht. Josef war sehr anders und hat das seine Brüder auch spüren lassen. Bis die schließlich so wütend wurden, dass sie ihn loswerden wollten. Sie haben ihn ins Ausland verkauft. Was für ein Trauma für die Eltern. Ich vermute, sie waren mindestens so erschrocken wie mein Freund.

Aber selbst in der schwierigen Familie von Josef ist schließlich die Versöhnung gelungen. Geglückt ist sie, als die Brüder ihrer Familienwahrheit ins Auge geschaut haben. Ihrer gemeinsamen und so verschiedenen.

Erwachsene Kinder können – glaube ich - die Familienwahrheit finden, die sie versöhnen kann. Wenn sie verstehen, wie verschieden man seine Familie erlebt. Kinder sind verschieden und erleben verschieden. Auch als Vater und Mutter muss man das erst verstehen. Das hat meinen Freund auch irritiert: „Unsere Kinder haben doch so viel gemeinsam erlebt. Und wir haben als Eltern versucht, sie gleich zu behandeln und ihnen gerecht zu werden. Wie können sie trotzdem so verschieden empfinden?“

Ich glaube, das liegt daran, dass man als Kind und Jugendlicher seine Familie ausschließlich aus seiner eigenen Perspektive erlebt hat und das mitnimmt als Familienwahrheit.

Wir waren daheim zu dritt. Wenn ich mir unsere Familie vorstelle. Bildhaft. Ich vergleich sie mit einer Pyramide mit drei Seiten. Jedes Geschwister hat nur seine Seite gesehen. Und die anderen beiden ihre. Man denkt, die anderen erleben die Familie, Vater und Mutter, wie ich auch. Aber oft stimmt das nicht. Es tut Geschwistern gut, wenn wir einander erzählen, wie die Familie aus den verschiedenen Perspektiven aussieht. Man wundert sich, wie anders das sein kann. Wenn man mit den Augen seiner Geschwister geschaut und erlebt hat, dann sieht man vollständiger. Und ich glaube, das kann Geschwister auch versöhnen und zusammenbringen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25680
weiterlesen...