Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ulm – Göppingen – Reutlingen - Villingen-Schwenningen – Stuttgart – Pforzheim – Karlsruhe – Mannheim… Überall sind jetzt wieder Kirchen offen. Als Vesperkirchen. Ich müsste noch mehr Städte aufzählen. In über 30 Städten in Baden-Württemberg sind arme und einsame Menschen in Kirchen willkommen als Gäste. Die Bänke sind meistens ausgebaut und stattdessen stehen Tische. Es duftet nach Braten. Großes Gewusel im Haus Gottes. In Stuttgart oder Mannheim zB. kommen jeden Mittag an die 500 Menschen zusammen. Jede und jeder erhält ein preiswertes Mittagsessen, oft Kaffee und Kuchen. Es ist warm und in den Stunden in der Vesperkirche ist man nicht einsam.

Einer Kollegin aus Mannheim, die sich schon viele Jahre engagiert, ist das aufgefallen: Immer mehr Einsame kommen.

Es sind viele Arme, sagt sie, schwer Erkrankte, Menschen die keine Wohnung mehr haben. Aber auch arme Familien suchen die Gastfreundlichkeit. Menschen ohne Familie und Freunde haben es besonders schwer. Besonders beängstigend ist der Zuwachs an Rentnern.

Die Vesperkirchen zeigen, wo es fehlt im Land. In vielen Städten können Ärmere keine gute Wohnung mehr bezahlen.

Unserem Land geht es gut. Aber nicht allen Menschen.

Das Motto der Vesperkirche in Stuttgart bringt das auf den Punkt. „Es ist genug für alle da.“ Eigentlich ist unser Land reich genug, dass jeder und jede gut leben können müsste. Eigentlich.

Aber manchmal genügt es, wenn man krank wird. Oder eine Trennung, ein Partner stirbt, man steht allein da und das Leben gerät aus den Fugen.

Gut, dass in den Vesperkirchen genug da ist. Zumindest für diese Wochen. Vesperkirchen setzen Zeichen. Sie stellen Menschen in den Mittelpunkt, die sonst am Rand stehen oder im Schatten.

Was mich besonders beeindruckt an den Vesperkirchen, wie viele Menschen mitschaffen. Ehrenamtlich. Auch junge. In vielen Kirchen arbeiten Konfirmanden mit. Vielleicht ist das für die Gäste besonders wohltuend, neben Essen und Gesprächen. Dass sie Menschenfreundlichkeit und Wärme spüren. Ein Ehrenamtlicher hat erzählt: Ich mache bei der Vesperkirche mit, weil ich damit meinen Glauben an christliche Werte aktiv leben kann.…Ich möchte unseren Gästen die Möglichkeit geben, ihre Alltagssorgen.. ein bisschen zu vergessen. Wünschen würde ich mir, dass von Jahr zu Jahr weniger Gäste in unsere Vesperkirche kommen, denn das würde heißen, dass es weniger Sorgen und Ängste gibt.

Aber dafür müssen wir Arme und Einsame das ganze Jahr über beachten. Und ihnen gerecht werden. Auch in der Politik.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25679
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