SWR2 Wort zum Tag

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Pralle Sonne, kein Wölkchen am Himmel, das Thermometer zeigte 27 Grad und aus den Lautsprechern eines kleinen Restaurants erklang "O Tannenbaum“. Weihnachtslieder bei diesen Temperaturen waren für mich wirklich äußerst ungewohnt. Für die Menschen in Südafrika nicht. Vor drei Jahren habe ich dort Freunde besucht. In Südafrika sind die Jahreszeiten quasi "umgekehrt". Wenn hier Herbst ist, beginnt in Südafrika der Frühling. Und wenn es bei uns Winter wird, ist dort der Sommer angesagt. Weihnachten also im Sommer, salopp ausgedrückt: "Heiße Weihnacht statt weiße Weihnacht". Aber: egal ob das Fest mit Grillparties und Tänzen am Strand oder wie bei uns mit Lametta, Schnee und Lebkuchen gefeiert wird - das Wichtigste bleibt überall gleich: die Weihnachtsbotschaft. Sie wird weltweit in allen Sprachen und bei allen Temperaturen verkündet. Und diese Botschaft heißt: Gott wird Mensch. Der Schriftsteller Wilhelm Bruners nennt das Kind in der Krippe den „heruntergekommenen Gott“. Im doppelten Sinne.

An dieses Wort musste ich denken, als ich zum ersten Mal in den Townships vor Kapstadt unterwegs war. Die ärmlichen Behausungen, in denen Menschen dort leben, sind so was wie moderne Krippen. Wie damals in Bethlehem. Auch Maria und Josef waren Unerwünschte und suchten eine richtige, ordentliche Unterkunft. Was sie bekamen war ein armseliger Stall. In den Townships gibt es diese zu tausenden. Mich haben damals Menschen beeindruckt, die sich davon nicht abschrecken ließen und ihr Möglichstes getan haben , um dort zu helfen. Und sie tun es auch heute noch. Sie tun alles dafür, das Leben dort ein bisschen erträglicher zu machen. Eine Gruppe kümmert sich besonders um die Kinder, vor allem um HIV-infizierte Kinder.  Das Hilfsprojekt hat den schönen und programmatischen Namen "Hope", also: Hoffnung. Hoffnung hat auch ein Touristenführer auf Robben Island ausgestrahlt. Politische Gefangene wie zum Beispiel Nelson Mandela wurden auf dieser Gefängnisinsel jahrelang, manche jahrzehntelang, in winzigen Zellen festgehalten. Auch der Guide.Sieben Jahre lang. Bei allem was ihm angetan wurde, ist er trotzdem zurückgekehrt. Ganz bewusst. Er versteht seine Aufgabe dort als Friedensdienst, er möchte damit mahnen, dass so etwas nie wieder geschieht. Als Hoffnungszeichen. Das Hilfsprojekt „Hope“ in den Townships und dieser beeindruckende Guide auf Robben Island sind für mich zwei Beispiele, dass es gelingen kann, das zu leben wozu Weihnachten gerade wieder ermuntert hat: mehr Mensch zu werden. In jedem Land und bei jeder Temperatur. Nach dem Beispiel Jesu, des Kindes in der Krippe, des im wahrsten Sinne herunter-gekommenen, menschgewordenen Gottes.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25627
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