SWR1 3vor8

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Lk 1,26-38     

Die Kirche ist nicht zeitgemäß. Am Morgen des Heiligen Abends denkt doch jeder schon an Weihnachten. Aber in der Kirche ist heute Morgen noch vierter Adventssonntag. Und dann wird in den katholischen Gottesdiensten noch eine Bibelstelle vorgelesen, die viele auch nicht für zeitgemäß halten. Nämlich die Sache mit der Jungfrauengeburt. Der Engel Gabriel bringt Maria die Botschaft, dass sie einen Kind bekommen wird, den sie Jesus nennen soll und der Sohn des Höchsten genannt werden wird. Maria wendet ein: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ Zu gut deutsch: „Das kann nicht klappen, ich bin noch Jungfrau.“ „Der Heilige Geist wird über Dich kommen“, antwortet ihr der Engel. Seitdem ist sie auf dem Tisch, die Sache mit der Jungfrauengeburt und der Rolle des Heiligen Geistes.

Für die einen ein ganz wichtiger Glaubenssatz und für die andern nicht mehr zeitgemäß: antiquiert, Ausdruck der Sexualfeindlichkeit der Kirche. Und manchmal auch ein Grund, Witzchen darüber zu machen. Nach dem Motto der Heilige Josef im Himmel ist bis heute stinksauer auf den Heiligen Geist.

Ich muss bei dieser Bibelstelle immer an eine Darstellung aus dem Mittelalter denken. Sie findet sich über dem Nordportal der Marienkapelle in Würzburg. Dort ist oben Gottvater zu sehen und darunter Maria mit dem Engel. Ein Schlauch verbindet den Mund von Gott Vater mit dem Ohr Marias. Und auf dem rutscht der kleine Jesusknabe in die Welt. Am Ohr Marias sitzt eine Taube, also der Heilige Geist und überwacht die ganze Geschichte. Maria selbst wendet sich dem Engel zu, der ihr – wie es die Bibel erzählt – die Botschaft bringt. Eine Darstellung aus dem 14. Jahrhundert und damit vielleicht für viele wieder nicht zeitgemäß. Aber für mich eine gute Erklärung, worin die Jungfräulichkeit Marias besteht. Maria hatte ein offenes Ohr. Sie konnte hören. Hören auf die Worte des Engels und auf das, was Gott von ihr will. Sie war empfänglich für die Worte Gottes und in diesem Sinn jungfräulich. Mit Sexualität hat das nichts zu tun. Durch ihre Offenheit kam Gott in die Welt. Und das feiern wir heute Abend. Und er kam nicht nur vor 2000 Jahren in diese Welt, sondern auch heute, überall dort wo Menschen – wie Maria – bereit sind, auf ihn zu hören.

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen vierten Adventssonntag und heute Abend ein fröhliches Weihnachtsfest.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25587
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