Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Ach!“ – wie oft schon habe ich morgens die Bettdecke mit diesem Stoßseufzer zurückgeschlagen und mich aus den Kissen gekämpft.
Ach! Dieser Seufzer ist ein archaisches Wörtchen – ein Urwort, das aus der Tiefe der Seele kommt und das wir alle kennen. Wenn wir unter einer Belastung stöhnen, wenn wir leiden oder mitleiden: „Ach je, ach du Armer!“ Wenn wir klagen oder uns ärgern, „Ach hätt’ ich doch..., ach wär’ ich doch...“ Aber auch wenn wir staunen: „Ach, das hätt’ ich nicht gedacht, ach wie schön!“
Dieses Ach ist eines der menschlichsten Worte, die es gibt. Ein Ausruf, der so gut tut. Weil ich mit ihm Seufzen, Stöhnen und Klagen kann. Ein hörbarer Ausdruck meines Innenlebens. Für Dinge, die zwar nicht sichtbar sind, aber fühlbar. Und die so stark sind, dass sie weit über das hinausgehen, was beschreibbar ist und nur noch Klang und Atem sind.
Oft ist das „ach“ das einzige, was ich bei einem Gebet spreche. Leise vor mich hin oder in mich hinein. Wenn ich müde bin oder mir die Worte fehlen. Wenn ich mich freue, mich ärgere, enttäuscht oder fassungslos bin: Ach! Dieses „ach“ ist meine kürzeste Botschaft an Gott. Aber dafür umso intensiver. Und irgendwie bin ich mir sicher, dass gerade sie auch bei Gott ankommt.
Deshalb hab ich mich gefreut als mir ein Freund folgende Geschichte vom griechischen Schriftsteller Nikos Kazantzakis erzählt hat. Kazantzakis war auf einer Reise in der Türkei. Dort besuchte er ein Kloster, das von Derwischen bewohnt war. Derwische sind die Mystiker des Islams.

Einen dieser Derwische hat Kazantzakis gefragt wie er Gott beschreiben würde, wie er ihn nennen würde. Und der Derwisch hat ihm geantwortet:
„Er hat keinen Namen, Gott kann man nicht in einen Namen pressen... Gott ist frei. „Wenn ihr ihn aber rufen wollt, wenn es notwendig ist, wie ruft ihr ihn? fragte Kazantzakis weiter. „Ach“, antwortete der Derwisch, ‚nicht Allah, ach werde ich ihn rufen.’ Kazantzakis erbebte. Und murmelte: „Er hat recht…“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25450
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