Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Kaputte Blumenvasen. Davon handelt die erste Geschichte in meinem Adventskalender.  Ich habe vor ein paar Tagen einen Adventskalender geschenkt bekommen, zwar ohne Schokolade, aber mit lauter Geschichten drin. Und da ich sehr neugierig bin, habe ich schon mal die erste Seite aufgeblättert – auch wenn es eigentlich erst übermorgen losgeht. 

Und gleich die erste Geschichte handelt von einer japanischen Reparaturmethode für zerbrochene Vasen und Schalen. Weiß ja jeder, dass es in Japan wertvolle Porzellanvasen gibt – und die gehen halt auch mal zu Bruch. Aber einfach wieder zusammenkleben? Das habe ich auch schon versucht – sieht sehr bescheiden aus, denn die Bruchstellen sieht man immer… 

Jetzt machen die Japaner etwas Verrücktes: Sie füllen die Risse mit Gold aus! Am Ende sieht man die Bruchkanten nicht nur, sie sind wie goldene Linien die sich durch die Vase oder Schale ziehen. Das sieht faszinierend aus, wie ein neues, besonderes Kunstwerk. Jetzt muss man die Brüche nicht mehr verstecken, sondern aus diesen Brüchen ist durch das Gold etwas ganz Besonderes geworden. Ein neues Kunstwerk ist entstanden. 

Dann wurde mir klar, warum das die erste Geschichte in meinem Adventskalender ist. Es ist wie ein Bild für unser Leben. Darin gibt es auch viele Brüche. Aber so sehr ich mich schon bemüht habe, die Bruchstellen zu kitten, sie bleiben immer sichtbar. Ich kann sie auch nicht verstecken. 

Aber die japanischen Kunstwerke machen mir deutlich, dass auch ein Leben mit Brüchen etwas ganz Besonderes sein kann, oder besser: werden kann, wenn ich aufhöre meine Brüche zu verstecken. Für mich ist Jesus Christus der Künstler, der die Brüche in meinem Leben angeht. Er hat kein Problem damit, sich auf die Seite der Zerbrochenen und Leidtragenden zu stellen. 

Er macht nicht alles einfach wieder gut – so wie ich mir das manchmal wünschen würde: Aber er lässt mich spüren, dass geliebt und wertvoll bin, auch mit meinen Brüchen. Er ist wie das Gold, das sich in die Bruchstellen meines Lebens legt und sie zu etwas Besonderen macht, der sagt: „das ist Okay für mich, du brauchst dich damit nicht zu verstecken“.  Ich sehe das Bild der ehemals zerbrochenen japanischen Schale vor mir: Sie sieht anders aus zuvor – aber jetzt, mit den goldenen Linien, ist sie ein neues Kunstwerk geworden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25419
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