Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Genau 106 Tasten hat die Tastatur meines Computers. Zwei davon mag ich ganz besonders gerne: die Steuerungstaste und den Buchstaben Z. Denn diese beiden Tasten können etwas ungeschehen machen. Wenn ich einen Text schreibe und versehentlich etwas Wichtiges lösche, drücke ich einfach Steuerung und Z, und schwupps ist es wieder da. Es ist, als hätte es meinen Fehler nie gegeben. „Aktion rückgängig machen“ nennt sich diese Tastenkombination. Sie hat mich schon oft gerettet.

Manchmal wünsche ich mir, es gäbe diese Möglichkeit auch sonst im Leben. Wenn ich irgendetwas sage oder tue, das ich hinterher bereue, wäre Rückgängig-Machen eine feine Sache. Etwa wenn mir im Streit ein heftiges Wort herausrutscht. Oder wenn ich zu einem wichtigen Termin zu spät komme. Oder wenn ich jemandem etwas anvertraue und habe hinterher das Gefühl, dass es bei dieser Person nicht gut aufgehoben ist. Steuerung Z wäre da eine praktische Sache.

Aber die Möglichkeit, Fehler rückgängig zu machen gibt es nicht. Und vielleicht ist das auch ganz gut so. Denn schließlich gehören auch diese Fehler zu mir und meinem Leben dazu. Und: wenn ich sie einfach rückgängig machen könnte, dann würde ich auch nichts aus ihnen lernen. Denn zum Lernen werde ich gezwungen, eben weil ich keine Steuerungs- und keine Z-Taste habe.

Zum Beispiel beim Autofahren. Seit einem guten Jahr sitze ich fast jeden Tag zwei Stunden hinter dem Lenkrad. Die meiste Zeit davon auf der Autobahn. Anfangs habe ich mich furchtbar aufgeregt, wenn ein Raser an meiner Stoßstange geklebt hat, nur weil ich auch mal einen Lastwagen überholen wollte. Das ein oder andere Mal habe ich meinem Ärger dann auch Luft gemacht. Aber ich habe das hinterher immer sofort bereut. Man macht sich ja nur selbst zum Affen, wenn man sich aufregt. Und wenn der Drängler darauf reagiert, benehmen sich zwei erwachsene Männer wie pubertierende Teenager. Einfach nur peinlich. Wenn mein Auto eine Steuerungs- und eine Z-Taste hätte, ich hätte sie jedes Mal gedrückt. Die Aktion hätte es nie gegeben – aber ich hätte auch nichts daraus gelernt.

Dadurch, dass ich mich jedes Mal über mich selbst ärgern musste, habe ich gelernt, in solchen Situationen gelassener zu bleiben. Ich überhole einfach zu Ende und versuche so zu fahren, als ob der Drängler gar nicht da ist. Und ich fühle mich dabei viel, viel besser. Dinge, die geschehen sind, kann man nicht ändern. Aber genau dadurch bekommt man die Chance, sich selbst ein Bisschen zu ändern.

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