Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Ich drück Dir die Daumen“. So wünscht man einem Menschen Glück. Etwa vor einem sportlichen Wettkampf, vor einer Prüfung oder vor einer Operation. „Ich drück Dir die Daumen“, oft gehört zu diesem Satz auch die entsprechende Geste.

Woher das Daumendrücken kommt, weiß man nicht genau. Vielleicht aus der Zeit der Gladiatorenkämpfe im alten Rom. Wenn der Cäsar in der Arena den Daumen nach unten gestreckt hat, war das ein schlechtes Zeichen für den unterlegenen Gladiator. Beim Daumendrücken lässt man diesen drohenden Daumen in der Faust verschwinden. So versucht man den schlechten Ausgang einer Sache zu verhindern.

Als Jugendlicher habe ich oft meine beiden Tanten besucht. Die eine war Witwe, die andere unverheiratet, und sie haben bis ins hohe Alter zusammen gewohnt. Wenn ich bei ihnen war und eine wichtige Klassenarbeit anstand oder später die Abschlussprüfungen, haben sie nicht zu mir gesagt: „Wir drücken Dir die Daumen“. Meine Tanten haben gesagt: „Wir beten für Dich“. Und wenn es dann gut gegangen ist, war für die beiden klar, woran das lag: „Wir haben ja auch so für dich gebetet“, haben sie mir erzählt.

Ob sie recht damit hatten? Bin ich besser durch die Klassenarbeiten und Prüfungen gekommen, weil sie für mich gebetet haben? Die Frage lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten und schon gar nicht beweisen. Schließlich habe ich auch schlechte Noten nach Hause gebracht. Auch Beten garantiert offenbar nicht, dass eine Sache gut ausgeht.

Was ich aber sicher weiß: Es hat mir gut getan, in einer Prüfung zu wissen: Jetzt sitzen meine beiden alten Tanten auf ihrem Sofa und bitten Gott darum, dass alles gut wird. Ich habe mich irgendwie getragen gefühlt. Und wahrscheinlich hat es auch meinen Tanten geholfen, dass sie sich an jemanden wenden konnten mit ihrer Sorge. Ich weiß: Sie haben nicht nur für mich gebetet, sondern auch für ihre anderen Neffen und Nichten.

Auch ich bete heute für meine Kinder und für andere Menschen, die mir nahe stehen. Ich vertraue darauf, dass Gott ihnen in schwierigen Situationen zur Seite steht. Für mich ist das Gebet eine Möglichkeit zu helfen, wenn ich eigentlich nicht helfen kann. Ich kann Gott meine Sorgen sagen. Und ich zeige denen, die mir am Herzen liegen: Du bist nicht allein.

Vielleicht probieren Sie das auch mal: Gott zu sagen, was Sie sich für die Menschen wünschen, die Ihnen am Herzen liegen. Und auch wenn Sie sich nicht sicher sind, ob es Gott überhaupt gibt und so Ihre Zweifel haben: Für andere beten bringt mindestens so viel wie Daumendrücken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25354
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