Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Streit“, ausgerechnet „Streit“ ist das Motto der diesjährigen Dekade für den Frieden. Sie hat gestern begonnen. Zehn Tage lang gibt es in vielen Orten in Deutschland Gottesdienste, Vorträge und andere Veranstaltungen, die sich mit dem Thema Frieden beschäftigen. Dieses Jahr unter dem Motto „Streit“. Auf den Plakaten ist eine zornige Friedenstaube mit einem zur Faust geballten Flügel zu sehen. Das passt gar nicht, habe ich gedacht, als ich das zum ersten Mal gesehen habe. Streit ist doch das Gegenteil von Frieden. Oder?

Klar, das Beste wäre eine harmonische Welt, in der alle miteinander auskommen und in der es keine Meinungsverschiedenheiten gibt. Aber die Welt ist anders. Es gibt unterschiedliche Meinungen und Interessen und unterschiedliche Antworten auf die Frage, was getan werden soll. Ich fürchte, deshalb muss es ihn tatsächlich geben: den Streit. Damit nicht einzelne oder ganze Gruppen ungehört bleiben – in einer Partnerschaft, in einer Familie oder in einer Gruppe. Wer eine andere Meinung hat und sie nicht sagt, findet ja gerade keinen Frieden. Wenn ich Konflikten immer aus dem Weg gehe, rumort es in mir drin und ich werde un-zu-frieden.

Natürlich kommt es darauf an, wie man miteinander streitet. „Prügeln sollten wir uns hier nicht“, hat Wolfgang Schäuble bei seiner ersten Rede als neu gewählter Bundestagspräsident gesagt. Und er hat hinzugefügt: „Wir sollten das […] auch nicht verbal tun. Wir können vielmehr zeigen, dass man sich streiten kann, ohne dass es unanständig wird“. – „Anständig streiten“. Das bedeutet: Ich streite mich um die Sache, aber ich respektiere den anderen, auch wenn er mein Gegner ist. Und dann geht es eben nicht, dass ich Menschen mit einer anderen Meinung übel beschimpfe oder ihnen sogar den Tod wünsche, wie das manche im Internet machen.

Ich glaube, besonders in einer Zeit, in der Menschen mit Worten aufeinander einprügeln, muss man für den Frieden streiten. Gerade Christen sollten das tun. Jesus Christus hat das vorgemacht. Er ist für den Frieden eingetreten: Er hat gefordert, seine Mitmenschen, sogar die Feinde zu lieben und auf Gewalt zu verzichten. Für diese friedlichen Überzeugungen hat Jesus dann aber auch anständig gestritten. Wenn man in der Bibel die Evangelien liest, dann fällt auf: Ständig steckte er in Diskussionen mit Leuten, die anderer Meinung waren.

Auch Jesus zeigt mir: Frieden und Streit sind keine Gegensätze. Die Friedenstaube darf – ja, muss – sich auch mal anständig streiten und den Flügel zur Faust ballen. Nur zuschlagen sollte sie damit nicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25353
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