Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Inzwischen könnte man ein ganzes Buch schreiben. Über die wunderbaren Vergleiche, mit denen Papst Franziskus der Menschheit auf den Zahn fühlt. Er feiert in der Regel täglich die Heilige Messe in einer Kapelle des Gästehauses, wo er im Vatikan wohnt. Und da sind immer etliche Gäste dabei, die mitfeiern. Zuweilen nützt der Papst diese Gelegenheit, um auf Fehlentwicklungen hinzuweisen, die er beobachtet und die ihm zu schaffen machen.

Unlängst ging’s um die Strenge. Sein biblisches Beispiel, wo es hinführen kann, wenn einer zu streng ist, war der Prophet Jona. Franziskus nennt ihn einen „Starrkopf“ und charakterisiert ihn als „krank vor Strenge“.

Jonas Geschichte ist schnell erzählt: Er wird von Gott beauftragt, der Stadt Ninive den Untergang vorher zu sagen, weil ihre Einwohner nicht so leben, wie Gott es erwartet. Aber Jona ist feige und haut ab. Im zweiten Anlauf geht er schließlich doch und sagt den Ninive-Leuten, was Gott vorhat: Die Stadt zu zerstören, alles was dort lebt. Weil die Bewohner dann aber ihre Fehler bereuen und Besserung geloben, verzichtet Gott auf seine Strafe. Aus Barmherzigkeit. Und das ärgert Jona. Er findet es unpassend, dass Gott zurückrudert. Er will keine Milde walten lassen. Er wird unheimlich wütend über einen Gott, der ... ja was? ... der barmherzig ist.

Die Haltung der Barmherzigkeit zu üben, das ist so etwas wie der rote Faden, der die Amtsführung von Papst Franziskus charakterisiert. Immer wieder kommt er darauf zu sprechen. Vor Menschen, die so reagieren wie Jona, warnt er deshalb. Weil übertriebene Strenge und Barmherzigkeit sich nicht vertragen. Wer zu streng ist, hat ein hartes Herz. Irgendwann ist er nicht mehr bereit, wahrzunehmen, dass sich eine Lage verändert hat. Er versteift sich und kann sich für Neues nicht mehr öffnen.

Es ist im Grunde nicht schwer, sich selbst in dieser Hinsicht zu prüfen: Beharre ich unerbittlich auf meinem Recht? Habe ich Angst davor, die Kontrolle zu verlieren? Bin ich es gewöhnt zu sagen: „Das hast du mir getan, also tu ich dir das!“?

Das Buch des Jona steht in der Bibel, weil es verrät: Gott denkt und handelt nicht so. Dann hätte er nämlich zuletzt den Propheten seinem Starrsinn und seiner Strenge überlassen und ihn verstoßen. Aber er rettet ihn, zusammen mit den Leuten in Ninive. Weil er geduldiger ist, als wir annehmen, weil er die Herzen der Menschen weich und weit machen will - durch Barmherzigkeit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25319
weiterlesen...