SWR3 Gedanken

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Wüstenzeit. Für viele ist das eine Zeit, in der man zur Ruhe kommt und zu sich selber. Für die Franzosen im 16. Jahrhundert war die „Wüstenzeit“ eine Zeit der Verfolgung.

Damals haben sich die neuen Lehren Martin Luthers auch in Frankreich ausgebreitet. Die Evangelischen dort nannten sich „protestantes“. Aber die katholische Kirche fürchtete diese neue Glaubensrichtung und verfolgte sie mit Hilfe des französischen Königs. Denn diese Protestanten wollten nicht mehr König und Papst gehorchen, sondern nur noch dem, was in der Bibel steht. Deshalb war jeder verdächtig, der eine Bibel hatte.

In den französischen Cevennen gibt es ein kleines Museum, das musée du désert. In dem Museum kann man die vielen Verstecke sehen, in denen die Protestanten damals ihre Bibeln in Sicherheit gebracht haben: hinten im Kamin, im doppelten Boden eines Stuhls oder eingeflochten im Haarknoten der Frauen.

Weil die Protestanten keine Kirchen hatten, haben sie im Wald gepredigt oder sonstwo an geheimen Orten. Und zwar mit Hilfe eines Holzfasses, das man ausklappen konnte.

Und dann ist da noch ein Raum im Museum. Der erinnert an die 5000 Männer, die verhaftet und zum Dienst auf den königlichen Galeeren gezwungen wurden. Und an die Kinder, die kurzerhand entführt und in Klöstern „umerzogen“ wurden. Und an die Frauen, die ins Gefängnis gesteckt wurden. Über eine halbe Million Protestanten sind vor dem Grauen geflohen, viele auch nach Deutschland.

Und warum das alles? Wegen ihres Glaubens, ihrer Überzeugung. Und die habe ich gespürt. Als ich mit ihnen in einer der wenigen protestantischen Kirchen in Frankreich Gottesdienst gefeiert habe. Schlicht sind diese Feiern, Menschen kommen zur Ruhe. Glaubensstark wie sie sind. Bis heute.

→ www.museedudesert.com
→ Lesetipp : Marjolaine Chevallier, Psaumes interdits… Roman historique © Le Croît vif, 2012.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25307
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