SWR1 3vor8

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 (Mt 5,1-12)

IIn der katholischen Kirche gibt es einen eigenartigen Vorgang: Menschen werden nach ihrem Tod heilig gesprochen. An sie erinnert die katholische Kirche heute - am Fest Allerheiligen.

Gestern war Reformationstag. Vor 500 Jahren hat Martin Luther Thesen verfasst, in denen er sich auch mit der Praxis der Heiligenverehrung kritisch auseinandergesetzt hat. Ganz bewusst hat man den Tag vor Allerheiligen gewählt, um darauf den Thesenanschlag zu legen. Gottlob hat sich die katholische Kirche - nicht zuletzt durch die Kritik der Reformation - weiter entwickelt. Trotzdem: Braucht es das heute noch, dass Menschen heilig gesprochen werden? Wäre es nicht besser, Zeit und Geld den Armen direkt zu geben, eine groß angelegte Aktion gegen den Hunger in der Welt zu starten?

Heilige sind fast immer Menschen, die genau so etwas getan haben. Sie werden deshalb heilig gesprochen, weil sie sich selbst nicht wichtig genommen, sondern anderen geholfen haben; manche bis in den Tod. Wie der polnische Priester Maximilian Kolbe. Er hat sich für einen Familienvater im KZ Auschwitz geopfert. Heilige sind also in erster Linie Vorbilder für uns. Heute, mit den Problemen, die es bei uns gibt. Vorbilder dafür, wie man einen Streit, ein Problem in dem Sinne angeht, wie Jesus es auch getan hätte. Ich bin davon überzeugt, dass es solche Vorbilder unbedingt braucht. Mehr denn je. Frauen und Männer, die nicht lange überlegen, sondern praktisch helfen, wenn ihnen ein armer Mensch begegnet.  Auch dann, wenn ihnen Nachteile drohen, setzen sie sich dafür ein, dass Feinde wieder miteinander in Kontakt kommen. Oft geraten sie dabei zwischen die Fronten, aber das ist es ihnen wert, weil Jesus das Gleiche gemacht hätte.

In den katholischen Gottesdiensten werden heute an Allerheiligen die Seligpreisungen der Bergpredigt gelesen. Sie sind so etwas wie die programmatische Zusammenfassung dessen, was Jesus wichtig war, für was er gelebt hat. Es geht dabei um genau diese Frage: Wie muss der Mensch sein, dass er selig ist, dass man etwas von dem sonst unsichtbaren Heiligenschein sehen kann? Selig ... heilig ... die Friedensstifter, die Gewaltlosen, die Barmherzigen![1] So heißt es in diesen wunderbaren Ausrufen. In ihnen klingt etwas von der heilen Welt an, die Menschen erreichen können, wenn sie das Richtige tun.

Die Seligpreisungen sind keine Theorie. Jesus hat sie fürs ganz normale Leben gedacht. Dass es geht, davon erfährt man etwas in den Biografien der Menschen, die heilig gesprochen werden.

Das Potential, heilig zu sein, liegt in jedem Menschen. Gott hat in alles, was lebt, etwas von sich gelegt. Im besten Fall kann man ein wenig davon sehen - einen Funken, der die Welt heller macht. 



[1] vgl. Mt 5,1ff.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25277
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