SWR1 3vor8

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 (Mt 22, 34-40)

Kann man lieben „sollen“? Kann man zur Liebe verpflichtet werden? Das hab ich mich gefragt, als ich den Text gelesen hab, der heute in den Katholischen Kirchen zu hören ist. Er ist aus dem Matthäusevangelium und darin wird Jesus von den Pharisäern gefragt, welches Gebot das wichtigste sei. Er hat ihnen so geantwortet:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden“.

Mit diesen drei Sätzen hat Jesus eine Kurz-Zusammenfassung seines Glaubens gegeben, und gleichzeitig das Herz der christlichen Religion beschrieben. Ein Herz mit zwei Kammern, die untrennbar miteinander verbunden sind. Die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen. So weit so schön. Aber, kann man lieben sollen? Kann man aufgefordert werden zur Liebe? Und ist es nicht zu viel verlangt, mich mit Haut und Haaren auf Gott einzulassen, ihn, den Unbeschreiblichen zu lieben? Und obendrauf auch noch die Anderen zu lieben wie mich selbst? Ist dieses doppelte Liebesgebot Jesu nicht eine Überforderung des Menschen?

Ich denke nicht. Denn es geht um das Wichtigste und Schönste, das es gibt im Leben. Und das ist eigentlich leicht, wenn ich fähig und bereit dazu bin. Aber es ist – wie alles Gute – nicht zu erzwingen. Nur zu fördern, nicht zu fordern. Es geht um Liebe als Erfahrung. Zuerst einmal geliebt zu werden und dann selbst zu lieben. Von der Wiege bis zur Bahre.

Es geht um Liebe als Haltung. Eine Haltung, die zum Beispiel in sozialer Gerechtigkeit konkret wird. Und es geht um Liebe als ein Gefühl. Ein Gefühl, das gelebt werden will, das helfen soll, dass das Leben gelingt.

Mein eigenes Leben, wenn ich es als Geschenk betrachte und dem, der es mir geschenkt hat zutiefst dankbar bin. In dieser Dankbarkeit kann ich das Leben sehen mit liebendem Blick. Dann kann, ja will ich das Gute, das ich zum Leben bekommen habe, teilen. Und auch anderen Menschen ermöglichen gut und gern zu leben.

Das ist gemeint, wenn es heißt „Du sollst Deinen Nächsten lieben wie dich selbst“. Wenn dieses Selbst Liebe erfahren hat, dann ist es auch fähig, selbst zu lieben. Und dieses kleine große Wort wird zur Wirklichkeit.

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25263
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