Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Sie ist wie ihre Mutter“, klagt ein junger Familienvater, „will alles perfekt machen: Beruf, Haushalt, Kinder. Und setzt sich damit total unter Druck, wird nervös und unfreundlich und die Stimmung in der Familie ist furchtbar“.

Sie ist wie ihre Mutter – ich kenne viele Frauen, die hören das nicht gern. Sie wissen nur zu gut und haben es ja erlebt, wie das mit der Mutter war. Und jetzt machen sie es genauso. Manche merken es gar nicht. Manche können nicht anders. Sie haben erlebt: Gut ist nur, was perfekt ist. Das hat sie geprägt. Da kommt man nicht so einfach wieder raus.

Und Männern geht es ja oft nicht anders. „Es ist unmöglich, wie mein Sohn seine Frau behandelt. So herablassend und oft auch aufbrausend. Genauso wie sein Großvater“ habe ich neulich gehört. Der Sohn hatte offensichtlich erlebt: Ein Mann der geachtet und bewundert werden will, der muss so sein wie der Großvater. Das hat ihn geprägt und jetzt ist er selbst so geworden.

Man wird geprägt von dem, was man selbst erlebt hat. Und man kann dem schwer entkommen – denn selbst, wenn man es ganz bewusst anders macht und womöglich dann auf der anderen Seite vom Pferd fällt: Geprägt ist man eben trotzdem.

Manchmal denke ich, das ist es, was die Theologie „Erbsünde“ nennt. Das ist also nicht irgendwas, das mit Lust und Sexualität zu tun hat. Auch nicht eine vererbte Schuld, wie man eine Hypothek vererbt. Erbsünde: Ich bin verstrickt in das, was vor mir war. Im Guten und im Bösen. Niemand hat die Freiheit, an einem perfekten Punkt Null anzufangen. Ich glaube, das ist gemeint.

Ist das nun ein unabänderliches Schicksal? Muss ich mich abfinden damit, dass ich nicht anders kann? Nein, ich glaube nicht.
Aber zunächst einmal muss es einem bewusst werden, wie man sich verhält und  was  anderen weh tut. Dazu braucht es Gespräche. Liebevolle Gespräche. Nicht Vorwürfe, sondern ein werbendes: „Du tust mir weh. Weißt du das? Willst Du das? Wie könnte es anders gehen?“ Dann merkt der andere: Meinem Partner liegt etwas an mir und an unserer Beziehung. So fällt es leichter sich auf den Weg zu machen, etwas zu ändern.

Zu Jesus hat man einen Menschen gebracht, der gelähmt war. Wer weiß, in welche Erfahrungen der verstrickt war und jetzt konnte er da nicht mehr raus. Und Jesus hat ihm gesagt: Dir sind deine Sünden vergeben. Da konnte der Mann aufstehen und weitergehen. Die Vergangenheit hielt ihn nicht mehr fest. 

Ich glaube, so könnte es auch heute gehen. Wenn Menschen merken: Der andere macht mir nicht Vorwürfe, weil ich bin, wie ich bin. Er möchte mir helfen. Uns helfen. Weil er mich liebt. Dann lässt sich ein guter Weg finden.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25242
weiterlesen...