Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Ich bin Gast auf der Erde.“ Ich weiß es, Sie wissen es, wir Menschen sind sterblich. Aber ich tu viel dafür, dass ich nicht daran denke. Allerdings wenn der Tod sich dann ins Leben drängt, dann macht er mich hilflos. Wäre das anders, wenn ich mehr dran denken würde, dass ich Gast bin auf der Erde?
Ich frage mich das, seit ich vor ein paar Wochen folgendes erlebt habe, ausgerechnet im Fitnessstudio.

Ich bin hingekommen und habe gleich gemerkt, da stimmt was nicht. Ein Trainer raunt mir zu: „Wir haben einen Notfall.“ Vor der Trainingsfläche stehen Kursteilnehmerinnen, ratlos, geschockt. Mitten unter ihnen ist jemand zusammengebrochen. Muss vom Notarzt reanimiert werden.
Wie alle anderen bin ich dann trotzdem zum Trainieren gegangen. Mit ganz komischem Gefühl im Bauch. Draußen auf dem Parkplatz der Notarztwagen. Man hat ihn nicht übersehen können. Jeder hat geahnt, da kämpft eine von uns, wahrscheinlich auf Leben und Tod.

Eine von uns. Wir sind ja eine Community, eine Gemeinschaft. Steht auf den Flyern, die im Studio ausliegen.
Aber woran merkt man was von Gemeinschaft, wenn so was passiert?

Ich war hilflos und ratlos. Hab trainiert. Wie alle anderen auch. Das Personal hat wie immer gute Laune versprüht. Die Musik auf den Flächen war genauso laut und voll Power wie immer. Niemand hat inne gehalten. Drinnen jedenfalls. Wir drinnen, wir sind ja die Community der Gesunden. Draußen auf dem Parkplatz im Notarztwagen. Da waren die anderen. Die, die hautnah spüren mussten. „Wir sind nur Gast auf Erden.“

Irgendwas müssten wir jetzt anders machen. Habe ich das starke Gefühl gehabt. Und gespürt: Ich würde jetzt gern mit anderen zusammen beten. Eine Blume hinlegen, ging nicht, so schnell gab es keine. Aber zusammenstehen, die Hände falten, an sie denken und für sie beten: Für die Frau, die Angehörigen und die Ärzte. Auch für dieses Haus, eigentlich für uns alle, damit wir nicht so tun müssen, als wäre nichts.

Und dran denken, dass Gott da ist: Für alle, die sich jetzt Sorgen machen. Ich glaube, beten hilft.
Ich habe nicht den Mut gehabt, sichtbar zu beten. Habe es still für mich getan. Aber mit anderen zusammen wäre einfach besser gewesen. Als Zeichen, dass wir solidarisch sind, auch wenn Schlimmes passiert. Als Zeichen auch für die draußen, dass sie wissen können: Andere denken jetzt an uns und fühlen mit uns mit.
Und für uns auch darum, dass wir nicht zwanghaft auf unsere Gesundheit fokussiert sind. Und dabei vergessen: Wir sind Gäste auf der Erde.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25199
weiterlesen...