Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Warum lässt Gott zu, dass es Leid gibt auf der Welt?Warum greift er nicht ein? Warum hat er uns Menschen so erschaffen, dass wir auch böse sein können? Diese Fragen sind so alt wie der Glaube an Gott selbst.

Gott – warum hast du in Auschwitz nicht eingegriffen? Gott – wo bist du bei Terroranschlägen und Selbstmordattentaten? Gott - wo bist du wenn Menschen sich verachten, hassen, bekriegen? Jedes Leid macht Menschen das Leben schwer. Ich finde es normal, dass wir verstehen wollen, warum das so ist. Und wenn Gott der Schöpfer allen Lebens ist, muss er etwas damit zu tun haben. Ich habe Theologie studiert, weil ich gehofft habe eine Antwort zu finden auf diese Fragen. Kennengelernt habe ich viele. [1]

Eine davon heißt: Gott will das Gute. Wenn Menschen leiden, werden sie bestraft für das Böse, das sie getan haben. Durch die Strafe sollen sie einsehen, dass sie sich bessern müssen. Für mich ist das eine schlimme Antwort. Denn es gibt sehr viel Leid, für das Menschen nicht verantwortlich sind.

Eine andere: Gott ist gut, aber seine Stärke ist anders als die Macht von Menschen. Wenn Menschen leiden, leidet er immer mit.

Mit keiner Antwort war ich zufrieden. Ich habe begriffen, dass jede Antwort auf diese wichtigen Fragen unseres Menschseins ein Versuch ist. Eine eindeutige Antwort gibt es nicht. Das kann enttäuschen und heilen. Heilen davon, Gott durchschauen zu wollen.

Ich habe gelernt, diese Fragen nicht zu beantworten. Sie offen zu lassen. Das erlaubt mir, unschuldiges und ungerechtes Leid vor Gott zu beklagen und ihm die Verantwortung dafür zu überlassen. Das erlaubt mir aber auch, über eigenes Leid und das Leid anderer genauer nachzudenken. Und wahrzunehmen, dass ich für manches selbst verantwortlich bin und schuldig werde.

Meine Beziehung zu Gott ist dadurch freier geworden. Ich glaube heute, dass ich Gott nicht durchschauen kann. Aber ich glaube, dass ich ihn immer ansprechen kann. Ich sage ihm, wenn ich mich ohnmächtig fühle, wenn ich verzweifelt bin und nicht mehr weiter weiß ohne zu erwarten, dass er eingreift. Und erlebe, wie mein Herz ruhiger wird.


[1] Mehr dazu lesen kann man im Buch: Groß, Walter; Kuschel, Karl-Josef: „Ich schaffe Finsternis und Unheil!“ Ist Gott verantwortlich für das Übel? Mainz 1992

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25121
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