Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Es gibt Konflikte, die kann man nicht lösen. Wie bitter das sein kann, habe ich kürzlich mit einer Freundin erlebt. Ihr Partner hatte sich von ihr getrennt. Sie wollte, dass ich über diese Trennung denke wie sie selbst. Das konnte ich nicht. Briefe gingen hin und her. Am Ende waren wir beide enttäuscht und wütend. Wir haben alles versucht und uns nicht verstanden. Wir sprechen beide Deutsch und doch hat es sich so angefühlt, als würde die eine Chinesisch und die andere Russisch sprechen. Ich habe mich schuldig gefühlt. Habe ich wirklich alles versucht? Habe ich mich genügend in ihre Situation eingefühlt? Soll ich doch nochmal das Gespräch suchen?

Mit all den Selbstzweifeln habe ich einer Seelsorgerin von diesem ungelösten Konflikt erzählt. „Wie wäre es, wenn Sie sich für einen Augenblick sich selbst zuwenden?“, hat sie als erstes vorgeschlagen.

„Schauen Sie sich an. Sie sind eine gewissenhafte Frau. Sie haben ihren eigenen Worten nach alles versucht. Sie wissen, dass Sie mit Bedacht die Worte gewählt haben und dass Sie gut ausdrücken können, was in Ihnen vorgeht. Sie haben ihrer Freundin viel Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt. Also: Wenn es Ihnen möglich ist, haben Sie jetzt Mitgefühl mit sich selbst. Mit der Frau, die an sich selbst zweifelt. Die traurig ist, weil sie sich nicht verständlich machen kann.“

Ein ungewöhnlicher Perspektivwechsel. Da standen nicht mehr die Schuldgefühle über mein Unvermögen im Mittelpunkt sondern Mitgefühl mit mir. Ich bin es nicht gewohnt, Mitgefühl mit mir selbst zu haben. Deshalb war mir das zunächst fremd. Ich habe aber gleichzeitig erlebt, was sich in mir verändert.

Es hat mir gut getan, mit mir zu fühlen. Wahrzunehmen und anzuerkennen, wie sehr ich mich angestrengt habe.

Und dann, allmählich ... hat sich auch meine Wut auf meine Konfliktpartnerin aufgelöst. Ich konnte sie sein lassen wie sie ist – ganz anders als ich selbst. Ich war traurig darüber, wieder einmal zu erleben, dass es das gibt. Ich kann nicht jeden Konflikt lösen. Ich kann mich eben nicht immer verständlich machen und werde auch nicht immer verstanden. Aber so ist es wohl.

Im Loslassen ist es friedlich geworden in mir. Ich erinnere mich gerne an meine Freundin obwohl ich keinen Kontakt mehr zu ihr habe.

Das Leben hat mir eine wertvolle Lektion darin erteilt, wie wichtig es ist, mich selbst ebenso zu lieben wie meinen Nächsten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25119
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