Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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In einer Runde mit Freunden hat mal einer erwähnt, was er sich als Kind am meisten gewünscht hat. Und sofort hatten wir ein Thema, das den ganzen Abend für Stimmung gesorgt hat. Es gab viel zu lachen über unsere kindlichen Wunschträume, die im Rückblick so rührend erscheinen.  

Mein größter Wunsch war etwa, einmal eine ganze Milchkanne voller Sahne auszutrinken. Sahne war damals etwas Kostbares, es gab sie allenfalls mal sonntags und dann eben einen Löffel zum Schokopudding. Eine ganze Kanne davon ist in meiner Phantasie deshalb zum Inbegriff vom Schlaraffenland geworden.  

Als Kind wurde mir dieser Wunsch nicht erfüllt. Und als ich alt genug war, ihn mir selbst zu erfüllen, da hatte er sich längst erledigt. Klar, die Vorlieben verändern sich im Lauf des Lebens, und irgendwann hat auch die Vernunft ein Wort mitzureden. Aber es gibt noch einen anderen Grund: Ich könnte jederzeit in den nächsten Supermarkt gehen und das ganze Regal leerkaufen. Und die Kassiererin würde noch nicht mal aufschauen. Alles, was ich habe oder leicht haben könnte, verliert. Verliert seinen Glanz, seinen Zauber, seinen Wert, den ich ihm gebe. Und dann findet sich anderes, das ich gern hätte und das ich mir wünschen kann: eine Partnerschaft oder Freunde, ein Kind, eine gute Arbeit, eine bessere Wohnung, materielle Sicherheit. Und ganz oben: dass ich gesund bleibe oder dass ich gesund werde.  

Wünsche halten uns lebendig, wach, in Bewegung. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es Menschen gibt, die wirklich wunsch-los sind. Ich jedenfalls bin es nicht. 

Ich glaube, das Wünschen ist mir ins Herz gelegt. In die Seele geschrieben von meinem Schöpfer. Eingeprägt wie die Signatur, die ein Töpfer in seinen Topf drückt. Das Wünschen und Sehnen erinnert mich daran, dass das irdische Leben noch nicht ganz und rund ist. Es ist noch nicht alles, was Gott mit mir vorhat. Es fehlt noch etwas, immer fehlt noch etwas, solange ich lebe.  

Und so gehe ich weiter, mit meinem Wünschen und meiner Sehnsucht. Und genieße auf dem Weg alles, was mehr verheißt. Zum Beispiel die Natur im Morgennebel oder ein Klavierkonzert oder Schokopudding – mit ordentlich Sahne. Immer noch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25053
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