Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ein Schreiben von der Queen of England zum 80. Geburtstag. Ist das zu fassen? Ich war dabei, als die Jubilarin den Brief geöffnet hat. Ihre Freundinnen haben es möglich gemacht. Sie wussten, das Geburtstagskind ist ein Fan der Königshäuser. Sie haben an die europäischen Höfe geschrieben und tatsächlich Antworten bekommen.

Sie war ja auch immer dabei gewesen. Die Beerdigung von Lady Di, die Trauung von Victoria von Schweden, die Taufen von Gabrielle und Jacques von Monaco. Kein royales Familienereignis ohne ihre Anwesenheit – vor dem Fernsehapparat. Der Glamour, die Pracht und die historischen Schickale, sie mag das einfach.

Dabei ist sie eine überzeugte Demokratin und eine kritische Christin. Beileibe will sie keine Monarchie als Staatsform! Für sie sind alle Menschen von Gott gleich geschaffen, ohne Unterschied. Alle sind sie Kinder Gottes und gerade darum echte Königskinder, egal, ob sie in eine bürgerliche oder in eine königliche Familie hineingeboren sind.  Alle mit gleichen Rechten und gleichen Pflichten.

Der Reformator Martin Luther hat diese Erkenntnis in zwei großartigen Sätzen zusammengefasst. Erstens:“ Ein Christ ist ein freier Mensch und niemandem untertan“. Das war im Mittelalter die Definition für Adel. Niemandem dienen zu müssen. Frei sein. Und der zweiter Satz: „Ein Christ wird freiwillig zum Knecht und macht sich anderen Menschen untertan.“ Indem er sich gerade nicht für besser hält als andere, sondern versucht, ihnen Gutes zu tun.

Das passt erstaunlich gut zum Leben der Jubilarin. Vor ihrem Ruhestand war sie Sozialarbeiterin und hat mit alkoholkranken Menschen gearbeitet. Und als in den 60er Jahren  ein neuer Umgang mit den inhaftierten Jugendlichen Einzug hielt, war sie als erste weibliche Erzieherin dabei. Sie war dabei, als die Gitter vor den Fenstern der kriminell gewordenen Jugendlichen abmontiert wurden. Und als man aufgehört hat, sie durch Schläge zu erziehen. Sie konnte das, weil sie in den jungen Straffälligen immer den guten Kern gesucht hat. Sogar bei denen, die wegen einer Gewalttat einsaßen. Sie hat immer das Königskind gesucht. Weil sie überzeugt war, dass es da ist, in jedem Menschen. Aber man muss ihm Raum geben und mithelfen, damit es gedeihen und sich zum Guten entwickeln kann. So ein Königskind schlummert in jedem Menschen. Davon ist sie überzeugt, bis heute.

Und deshalb hat niemand auch nur gelächelt, als die Freundinnen der Jubilarin den Brief der Queen überreicht haben. Denn es war königliche Post für eine Frau, die in schwierigen jungen Menschen immer das Königskind gesucht und gefunden hat.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24994
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