Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Heute vor acht Jahren ist mein Vater gestorben. Sein Tod beschäftigt mich immer noch. Nicht mehr so wie damals. Aber abgeschlossen ist das Thema nicht. Vermutlich wird es das niemals sein. Im nachhinein kommt es mir so vor, als ob der Tod des Vaters mich ziemlich unvorbereitet getroffen hat. Obwohl ich als Pfarrer fast ständig mit dem Tod zu tun hatte. Aber der Tod des Vaters ist etwas anderes. Es ist, als ob ein Teil von einem selbst dabei stirbt. Das hatte mir so ausdrücklich niemand zuvor gesagt. Es war kein Thema in der Schule und beim Theologiestudium auch nicht. Oh ja, ich hatte einiges darüber gelesen, wie eng das Verhältnis von Eltern und Kind ist. Dass es unabhängig davon ist, ob man sich gut miteinander versteht oder ob das Verhältnis zerrüttet ist. Der Vater ist der Vater und als Sohn bleibt man immer Sohn, das ganzeLeben lang. Man kann den Vater nicht abschütteln. Er ist ein Teil vom eigenen Selbst. Bleibt es auch nach dem Tod. Nur anders. Und dieses „anders“ musste ich erst aushalten, um es Stück für Stück zu verstehen.
Heute weiß ich mehrdarüber. In der ersten Zeit nach dem Tod meines Vaters hat mich das viel Kraft gekostet. Unerwartet viel. Ich konnte gut darüber sprechen, aber es hat gedauert, bis ich Menschen gefunden hatte, deren Zuhören mir geholfen hat. Ich musste dabei auch viel Geduld mit mir selbst haben. Weil das Ereignis sich nicht abhaken ließ wie eine der Aufgaben, die ich sonst zu bewältigen hatte. Dass ich gelernt habe, mir dabei Zeit zu lassen, ist für mich bis heute besonders wichtig. Ich bin immer noch nicht fertig mit dem Tod meines Vaters. Aber ich kann jetzt mit dem toten Vater in mir gut weiter leben.
Heute, acht Jahre später, möchte ich diese Erfahrung nicht missen. Wenn ich mit Sterbenden zu tun habe, wenn ich Trauernde begleite, hilft es mir, sie besser zu verstehe. Und ihnen Wege zu zeigen, wie sie den Tod und die Trauer gestaltenkönnen. Ich sage Ihnen: Lassen Sie sich Zeit. Berühren Sie den Toten. Halten Sie Ihre Kinder oder Enkel nicht fern. Überfordern Sie sich nicht, sondern lassen Sie sich helfen. Kalkulieren Sie mindestens ein Jahr ein, um zu trauern und Abschied zu nehmen. Sprechen Sie mit anderen darüber. Halten Sie sich an den Bildern fest, die sie haben: vom Leben nach dem Tod, vom Himmel, vom Paradies. Und wenn sie können: Beten sie für den Toten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24984
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