Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Heute ist in Baden-Württemberg der erste Schultag nach den Sommerferien. 1,6 Millionen Kinder und Jugendliche sind wieder unterwegs, um das zu lernen, was sie fürs Leben brauchen. Ich wünsche sehr, dass es ihnen gut dabei geht. Und: Dass neben den wichtigen Themen und Fertigkeiten auch das zur Sprache kommt, was sich in ihnen abspielt. Schüler müssen nicht zuletzt lernen, sich selbst zu verstehen: Warum sie gerade so sind, wie sie sind. Wie sie mit ihren Begabungen und ihren Schwächen zurecht kommen. Wie sie gut durchs Leben kommen neben und mit den vielen anderen um sie herum.

Cornelia Funke ist Kinder- und Jugendbuchautorin. International berühmt. Viele Schüler haben ihre Bücher gelesen. Als Autorin, die vor allem für junge Menschen schreibt, greift sie auf ihre eigenen Erfahrungen aus der Kindheit zurück und fragt sich: Habe ich etwas daraus gelernt? Verstehe ich im nachhinein besser, was damals schwierig war?

Ein Gedanke von ihr trifft bei mir ins Schwarze. Was sie da beschreibt, hat mich fast mein ganzes Leben lang beschäftigt: dass Ängste mich packen, ich mich ihnen aber nicht völlig hingeben darf.

Cornelia Funkesagt dazu wörtlich: „Ich hätte mit 16 gern gewusst, dass das Einzige, was zwischen uns und dem Leben steht, die eigene Angst ist, und dass man sie nicht füttern darf, indem man ihr nachgibt. Ich hätte gern gewusst, dass es keine Veränderung gibt, ohne dass man dafür mit Angst bezahlen muss, und wie wunderbar glücklich und frei es macht, Dinge zu tun, vor denen man sich fürchtet.“

Funke sagt also, dass es eines der großen Menschheitsthemen ist: dass wir Angst haben. Sie ermutigt uns dazu, offen damit umzugehen, unsere Ängste kennenzulernen. Und zwar sobald als möglich. Nicht erst als Erwachsener, nicht erst, wenn es fast zu spät ist. Sondern bereits als junger Mensch. Wer sich seinen Ängsten überlässt, ihnen nichts entgegen zu setzen weiß, den werden sie in die Enge treiben und schließlich die Lust am Leben rauben. Aber gerade junge Leute haben die Möglichkeit, dem etwas entgegen zu setzen: Sie sind neugierig, sie wollen Neues erfahren, die Welt erobern. Sie haben noch nicht so großen Respekt vor Gefahren. Sie sind bereit etwas zu wagen, auch wenn nicht alle Risiken geklärt oder gar aus dem Weg geräumt sind. Nicht leichtsinnig und blind, aber doch mit dem Mut, der Angst ins Auge zu blicken. Auch das gehört für mich zur Schule, zu dem, was die Kinder in den nächsten Wochen und Monaten hoffentlich lernen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24981
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