Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Gräfenhainichen ist ein Nest in Sachsen-Anhalt. Im Urlaub bin ich in der Nähe gewesen, da habe ich einen Abstecher dorthin gemacht. Denn: Der kleine Ort hat einen weltberühmten Sohn. Paul Gerhardt, der Liederdichter ist 1607 dort geboren. „Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser schönen Sommerszeit…“ hat er zum Beispiel gedichtet und das Weihnachtslied „Ich steh an deiner Krippen hier, oh Jesu Du mein Leben…“ Viele seiner Lieder stehen noch heute in den Gesangbüchern, in den evangelischen genauso wie in den katholischen.

Ich finde: Paul Gerhardts Lieder öffnen einem das Herz. Sie sind wie Gebete. Bis heute helfen sie Worte zu finden für das, wofür man selber keine findet. Es sind Lieder, die von Kummer und Sorgen sprechen, wie sie jeder kennt, von der Hoffnung auf Gott, die Paul Gerhard beflügelt hat und von der Lebensfreude, die man suchen muss, aber auch finden kann.

Ich bin also nach Gräfenhainichen gefahren. Ich wollte sehen, was man dort von dem berühmten Dichter in Erfahrung bringen kann. Ich habe das Paul-Gerhardt-Haus gefunden mit einem Denkmal, beides hat man zu seinem 300. Geburtstag errichtet.

In der Marienkirche in Gräfenhainichen steht der Taufstein. Dort ist Paul Gerhard getauft worden. Dort habe ich gelernt, dass er nicht bloß schöne Worte finden konnte, sondern auch ganz praktisch mitten im Leben gestanden hat. In der Gräfenhainicher Kirche liegt nämlich neben allerlei Broschüren auch ein Abdruck seines Vermächtnisses. Kurz vor seinem Tod hat er es für den einzigen Sohn aufgeschrieben, der ihn überlebt hat. Zwei Punkte darin haben mich besonders berührt: Er schreibt: „1. tue nichts Böses in der Hoffnung, es werde heimlich bleiben, denn es wird nichts so klein gesponnen, es kommt an die Sonnen. Ja, habe ich gedacht, wie wahr! Wie viel Zeit und Gedanken muss man aufwenden, um Dinge geheim zu halten, die niemand wissen soll. Wieviel Kraft kostet es, zu vertuschen und schön zu reden, was man getan hat. Die Kraft könnte man doch so sehr für anderes brauchen.

Noch mehr berührt hat mich der zweite Rat von Paul Gerhard an seinen Sohn:

2. … erzürne dich nicht. Merkst du denn, dass der Zorn dich erhitzt, so schweige stockstill und rede nicht eher ein Wort, bis du … die zehn Gebote und das Glaubensbekenntnis gebetet hast.“[1]

Mal ehrlich: Hätten Sie einem frommen Dichter so viel praktische Weisheit zugetraut? Ich finde: Dieser Abstecher nach Gräfenhainichen hat sich gelohnt.


 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24923
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