Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wenn ich alt werde, möchte ich nicht jung aussehen, sondern glücklich!“ Der Spruch stand auf einem kleinen Täfelchen, wie man sie sich irgendwo in der Wohnung aufhängen kann. Ich hab ihn beim Schaufenstergucken gefunden, in so einem Laden für allerlei Krimskrams. Im Urlaub hatte ich Zeit dafür.

Hinterher beim Eisessen ist mir der Satz gar nicht mehr aus dem Kopf gegangen. „Wenn ich alt werde, möchte ich nicht jung aussehen, sondern glücklich.“ Ich habe die Leute angeschaut, die an dem Straßencafe vorbei gegangen sind, die jungen und die alten. Wie sehen die aus? Glücklich?

Und mir ist aufgefallen. Immer wenn ich dachte: Die sieht aber glücklich aus oder der – dann fand ich eigentlich auch immer: die sehen aber gut aus. Sympathisch. Auch wenn der Mann vielleicht einen Bauch hatte und wenig Haare oder die Frau einen runden Rücken und knotige Finger. Nicht alle, aber viele sahen glücklich aus – und sahen gut aus.

Ja, habe ich da gedacht: Das möchte ich auch. Glücklich aussehen. Aber was kann man dafür tun? Fürs jung Aussehen kann man eine Menge tun. Man kann mit dem Essen aufpassen, die Haare färben, nicht zu viel trinken, nicht rauchen, Gymnastik machen, Spazieren gehen, Schwimmen… Aber fürs glücklich aussehen? Kann man dafür auch etwas tun?

Und als ich da so entspannt bei meinem Eis saß, ist mir ein altes Kirchenlied eingefallen. „Geh aus, mein Herz und suche Freud in dieser schönen Sommerzeit an deines Gottes Gaben.“ Freude muss man suchen! Gewiss, manchmal fällt es einem in den Schoß, das Glück und die Freude. In einem Eiscafe im Urlaub zum Beispiel oder beim Schaufenstergucken oder am Strand oder beim Wandern. Da bleibt man auf einmal stehen und entdeckt etwas: ein Ausblick, ein Garten voller Dahlien in allen Farben – oder so ein Spruchtäfelchen im Schaufenster. Und die Freude breitet sich im Herzen aus und im Kopf und das Glück auch.

Manchmal im Alltag muss man aber auch erst danach suchen: Sie besinnen. Sich erinnern. Sich umschauen. Dahin schauen, wo etwas Erfreuliches zu sehen ist. Die Kinder. Die Enkel. Der nette Nachbar, der die Blumen gießt und noch einen lockeren Spruch dazu hat. Wenn die eigene Mannschaft ein entscheidendes Tor geschossen hat. Lauter Gottesgaben, die glücklich machen können. Und schon sieht man wahrscheinlich glücklich aus.

Ich habe mir jetzt vorgenommen, auch nach dem Urlaub mehr auszugehen und Freude zu suchen, denn ich möchte gern glücklich aussehen. Und vielleicht kaufe ich mir das Täfelchen noch zur Erinnerung: „Wenn ich alt werde, möchte ich nicht jung aussehen, sondern glücklich.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24920
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