Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Um den Job hat den jungen Mann sicher mancher beneidet: Software-Projektmanager bei einem führenden Unternehmen der Branche – anspruchsvoll und technisch auf höchstem Niveau. Krisenfest und sehr gut bezahlt. Aber ihn füllte das nicht aus. Er sah immer weniger Sinn darin, Luxusprodukte für anspruchsvolle und verwöhnte Kunden noch ausgefeilter und extravaganter zu machen.

Deshalb sprach er mit Freunden und Bekannten darüber - auch mit mir – welche Alternativen es wohl geben könnte. Er hat eine gefunden: Heute lebt er mit seiner Familie in Kambodscha und arbeitet für eine christliche Entwicklungshilfeorganisation. Er hilft Aussteigern aus der Prostitution – Frauen wie Männern – einen normalen Beruf zu erlernen und auszuüben. Nur mit einem ausreichenden Einkommen, fällt der Zwang weg, sich aus Armut zu prostituieren.

Dass jemand so etwas tut, ist alles andere als normal. Seine Entscheidung hat mit Jesus zu tun, denn der fordert seine Leute zu manchem auf, das auf den ersten Blick eine Zumutung zu sein scheint. „Geben ist seliger als Nehmen!“ hat er einmal gesagt (Apg 20,35). Das Wort ist zu einem Sprichwort geworden. In der Regel wird der Satz ironisch oder spöttisch verwendet. Dieser junge Mann aber hat Jesus beim Wort genommen und ernst gemacht. Auch seine Frau hat den Entschluss mitgetragen, und ich verstehe die beiden. Denn ob wir glücklich sind und ob unsere Seele satt wird, entscheidet sich nicht an der Position, am Ansehen oder am Gehalt.

Ich habe die beiden übrigens gefragt, ob ich ihre Geschichte so im Radio erzählen dürfte. Der Mann schrieb mir zurück: „Als ich deinen Text gelesen habe, dachte ich: Eigentlich fühlt es sich für uns gar nicht an, als wären wir hauptsächlich Gebende. Wir fühlen uns auch als Beschenkte.“ Genau darum geht es. Es kann mich sehr glücklich machen, wenn ich merke, dass mein Einsatz den anderen vor dem Abgrund bewahrt und dass meine Arbeit ihm hilft mit dem Leben klarzukommen. Wer ausschließlich darauf programmiert ist, seinen Vorteil zu suchen, verliert etwas Wesentliches. Die Gier ist ein erbarmungsloser Antreiber, der unsere innere Gelassenheit und die Freude am Leben zerstört.

Aber wie bekommen wir den Schalter umgelegt? Ich denke: Indem wir einmal ausprobieren, was es mit uns macht, der Weisheit der Bibel zu folgen. Zum Beispiel: Geben, ohne dass wir es müssten. Gerne geben – großzügig geben – sinnvoll geben. Mich selbst geben, meine Zeit, meine Kraft, mein Wissen. Mich investieren, obwohl ich materiell nichts dafür bekomme. Ich bin sicher, dass wir dabei nicht ärmer werden, sondern im Gegenteil reich an neuen, guten Erfahrungen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24745
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