Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Streit! Lange Zeit in meinem Leben habe ich Streit gehasst. Und ihn vermieden so lange es ging. Wenn es dann aber dazu kam, hab ich ihn umso härter und erbitterter geführt. Streit gehört zum Leben, ab und zu muss er sein. Es ist aber nicht einfach gut zu streiten. Ich habe es selbst mühsam lernen müssen: nicht gewinnen wollen beim Streit. Den anderen nicht demütigen oder gar fertig machen wollen. Sondern darum streiten, dass man gemeinsam etwas lernt. Dass man einen Kompromiss findet oder damit die Beziehung gut und lebendig bleibt oder wieder wird. 
Aber wie geht gut streiten? Ich hab mich in verschiedenen Büchern kundig gemacht und möchte zusammen mit meinen eigenen Erfahrungen ein paar Streitregeln weitergeben. Als erstes: Wann streiten? Auf jeden Fall nicht zwischen Tür und Angel oder vor dem Schlafengehen. Streit braucht Zeit. Weil es um Wesentliches geht. Da ist auch der Ort wichtig. Möglichst in einem geschlossenen Raum und unbedingt unter 4 Augen und 4 Ohren. Damit nicht Kollegen oder Kinder Zuhörer sein müssen. Mit dem richtigen Zeitpunkt und Ort hängen die wichtigsten Streitregeln zusammen: die des Wie! Da gilt zu allererst: keine Gewalt – weder körperlich noch seelisch. Denn beide Formen von Gewalt schlagen Wunden, die nur sehr schwer und sehr langsam heilen. Natürlich dürfen und sollen Gefühle raus und das was ärgert, nervt oder bedrückt soll auf den Tisch. Aber immer mit Respekt! Das heißt: keine Beleidigungen oder Drohungen. Das heißt auch keine abwertende Körpersprache wie Vogelzeigen, Abwinken oder Augenrollen. Sondern ehrlich sein, mutig sein und kämpfen, für sich selbst und für die Beziehung, aber immer fair! Dabei ganz wichtig: „Ich“ sagen und nicht „Du“. Nach der „VW-Regel“ vorgehen: Aus Vorwürfen Wünsche machen. Also nicht: „Du kommst immer so spät nach Hause“. Sondern: „Ich fände es schön, wenn Du mal früher nach Hause kämst“. Was beim Streiten auch nicht hilft sind Verallgemeinerungen wie „immer“ oder „nie“. Konkrete Beispiele sind da besser. Und ausreden lassen, nicht unterbrechen gehört auch zu den wichtigsten Streitregeln. Die dann zu einer höheren Stufe von Streitkultur führen können: Dem anderen wirklich zuhören und sich irgendwann sogar in seine Perspektive hineinversetzen. Was dann dem Schönsten am Streit schon ganz nahe ist: dem Verständnis füreinander und vor allem: der Versöhnung!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24599
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