Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Migration braucht einen langen Atem. Und Integration braucht Geduld. Viel Geduld. Niemand verlässt seine Heimat zum Spaß. Irgendwo in der Fremde heimisch zu werden ist eine schmerzhafte Sache. Wer eine Heimat hat und Fremde kommen sieht, der denkt oft: Das kann doch nicht so schwer sein. Warum dauert das denn so lange! Und manche denken vielleicht sogar mit Sehnsucht daran, auch einfach abzuhauen und irgendwo anders noch einmal ganz neu anzufangen. Als ob das bloß ein Abenteuer wäre, das den langweiligen Alltag ein bisschen bunter macht.

Ich habe im Urlaub in Rumänien angefangen, darüber nachzudenken: in Siebenbürgen Vor 800 Jahren sind deutschsprachige Migranten dorthin gekommen, Sachsen haben sie sich selber genannt. Der ungarische König hatte sie eingeladen, das Land dort vor den Karpaten zu besiedeln und zu verteidigen. Und das haben sie getan. Ein bisschen wie Abraham. Von dem erzählt die Bibel, dass Gott ihm ein neues Land versprochen hat. Ein neues Land und viele Nachkommen und Segen. (1. Mose 12, 1f). Also zieht er los. Mutig und tapfer. Und dann? Dann kamen Gefahren und Verwicklungen, Auseinandersetzungen mit den neuen Nachbarn, Ärger in der Familie. Erst Generationen später haben seine Nachkommen endlich einen Platz gefunden und so richtig sicher leben sie bis heute nicht in ihrem Land.

Genauso haben es die Siebenbürger Sachsen erlebt. Immer wieder haben sie Überfälle auf ihre Dörfer erduldet, Zerstörungen, dann Neuaufbau, dann wieder Überfälle und Neuaufbau. Was ihnen Kraft gegeben hat und Geduld? Anscheinend ihr Glaube. Wehrkirchen haben sie gebaut, dort haben sie Schutz gesucht. Heute gehören sie zum Weltkulturerbe. Gott wird uns nicht im Stich lassen – darauf haben sie sich verlassen.

Nach 300 Jahren konnten die Siebenbürger Sachsen auch Städte bauen, großartige Kirchen, stattliche Bürgerhäuser, freundliche Dörfer. Blühende Landschaften. „Dem ersten der Tod, dem zweiten die Not, dem dritten das Brot“ habe ich auf einem bestickten Überhandtuch in einem Heimatmuseum gelesen. So ist das mit der Migration, habe ich da begriffen. Sie braucht einen langen Atem. Und viel Geduld. Leicht ist das nicht. Vielleicht ist ja überhaupt das Leben nicht so leicht, wie man manchmal denken könnte, wenn es einem über lange Zeit gut gegangen ist? Aber wenn Migration und Integration gelingen: dann entstehen blühende Landschaften. Ich finde, das ist dann doch eine Hoffnung für Migranten und für die Einheimischen auch.

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24575
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