Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Diakonissen und Nonnen sind ein statistisches Wunder. Sie haben die höchste Lebensdauer überhaupt… und fallen damit komplett aus den Sterbetafeln der Versicherungen heraus. Woran das liegt, weiß keiner so genau.

Bestimmt nicht nur daran, dass sie den ganzen Tag beten. Das ist nämlich ein Vorurteil. Nonnen und Diakonissen arbeiten auch: Sie sind Lehrerinnen oder Erzieherinnen und Krankenschwestern, sie betreuen Obdachlosenunterkünfte und Wärmestuben und vieles mehr. Sie schreiben Bücher und bieten Einkehrwochen für gestresste Berufstätige an. Und dazu müssen sie ja auch noch ihre Mutterhäuser oder Klöster in Ordnung halten, also einen großen gemeinsamen Haushalt führen, mit Garten, Wäsche und allem anderen. Diakonissen und Nonnen haben also genug zu tun, genau wie wir alle.

Trotzdem leben sie statistisch gesehen länger und noch dazu meistens ziemlich zufrieden und wach im Geist. Die Forscher vermuten, dass es mit ihrem Lebensstil zu tun hat. Sie haben tägliche gemeinsame Morgen- und Abendandachten, aus denen sie Kraft schöpfen und die sie, wenn es gut geht, inspirieren. Sie wohnen gemeinsam. Sie bemühen sich um gemeinsame Mahlzeiten und halten die Sonntagruhe. Ich glaube, dass das wichtig ist und gelassen und zufrieden macht.

Aber besonders wichtig scheint mir, wie sie ihren Ruhestand leben. Ja, eigentlich reden sie gar nicht von Ruhestand, sie sagen Feierabend. Nach dem Arbeitsleben kommt für sie der Feierabend. „Gott schickt nicht in Rente“, sagen sie, und übernehmen, solange es geht, Arbeiten für die Gemeinschaft. Weniger sicher als früher, aber mit der gleichen Treue und Solidarität. Natürlich haben auch die älteren Diakonissen und Nonnen ihre Gebrechen und manches geht nicht mehr. Dann stricken sie und basteln und kochen ein. Die Stuttgarter Diakonissen zum Beispiel veranstalten in jedem Jahr im September einen großen Bazar. Da kaufe ich für meine ganze Familie die Socken, die uns früher die Oma gestrickt hat. „Und wenn ich nicht mehr stricken kann“, hat mir dort eine Diakonisse im Rollstuhl erzählt, „dann bete ich für die Menschen, die mir am Herzen liegen. Das kann jeder brauchen.“

Der christliche Auftrag endet nicht mit der Einbindung in Beruf oder Familie, lerne ich von diesen Frauen. Das heißt bestimmt nicht, dass man sich zu Tode arbeiten soll. Aber nach der Pensionierung sind die Aufgaben nicht zu Ende. Dann kann man in aller Freiheit tun, was einem selbst und anderen gut tut. Feierabend! Man muss gar nichts – aber man kann! Ich finde, das klingt verlockend.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24572
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