Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wir müssen reden!“ Für Paare, die Probleme haben, und wieder in eine gemeinsame Spur kommen wollen, ist das ein Standardsatz. Einer ergreift die Initiative und im besten Fall geht der Partner darauf ein und sie verständigen sich. Weiter geht’s. Ich übertrage diesen Satz heute auf den größeren Zusammenhang, aufs Miteinander in unserer Gesellschaft. Ich wünsche mir, ihn häufiger zu hören und an vielen Orten: „Wir müssen reden!“ Wenn mal wieder ein schreckliches Attentat passiert ist, kann ich in der Schule nicht so tun, als sei nichts geschehen und Unterricht nach Plan machen. Wir müssen darüber reden. In unserem Stadtviertel werden neue Häuser gebaut für Flüchtlinge. Auch da müssen wir Bewohner miteinander über die neue Situation reden - damit Ängste sich nicht festsetzen oder Vorurteile sich verhärten. Eine Bekannte hatte vor Wochen einen Schlaganfall. Wie gut, dass ihr Mann immer wieder signalisiert, dass er reden will. Damit er seine Last teilen kann, um zuhören, wie ich und andere über seine neue Lebenssituation denken. Ich beobachte, dass es daran oft fehlt: an Gesprächen, die in die Tiefe gehen, an den Gelegenheiten, sich mit anderen Auge in Auge auseinanderzusetzen. Und ich befürchte: Nicht wenigen ist das auch zu anstrengend. Sie wollen gar nicht andauernd sprechen und sich verständigen, weil es mühsam ist und manche lieber eine fertige und endgültige Antwort hätten. Aber so funktioniert das Miteinander in einer Demokratie nicht. In einer pluralen Gesellschaft ist es das A und O, sich auszutauschen und so die zu verstehen, die anders sind. Es gibt keine einfachen Antworten. Und wenn ich meine, mir sicher zu sein, dann kann das bei anderen völlig anders aussehen. Das muss ich wissen und einkalkulieren, dass die Suche nach dem richtigen Weg weiter geht und immer weiter. Und dazu müssen wir reden. Ich sehe keinen anderen Weg, wenn uns der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht um die Ohren fliegen soll. Alles wird komplizierter, und mehr: Informationen, Beziehungen. Umso wichtiger ist es, dass wir miteinander reden. Direkt, freundlich, ohne Umschweife und auf Augenhöhe. Wie in einer Partnerschaft. Wer damit gute Erfahrungen als Paar gemacht hat, weiß, dass man nur so den entscheidenden Schritt weiter kommt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24540
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